Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
wofür ich gekämpft habe.“
    Gradys Stirnrunzeln spiegelte seinen Verdruß. „Ich bin von der Erde, Kagen“, sagte er. „Ich sage Ihnen, sie wird Ihnen nicht gefallen. Sie werden sich nicht anpassen. Die Schwerkraft ist zu niedrig – und es gibt keine künstlichen Extremschwerkraft-Kasernen, in denen Sie Zuflucht nehmen können. Synthastim ist nicht legalisiert, sondern streng verboten. Aber Kriegsweltler brauchen Synthastim, deshalb werden Sie ungeheure Preise zahlen müssen, um das Zeug zu bekommen. Erdenmenschen sind auch nicht reaktionstrainiert. Sie sind ein anderer Menschenschlag. Gehen Sie nach Wellington zurück. Sie werden unter Ihresgleichen sein.“
    „Vielleicht ist das einer der Gründe, warum ich zur Erde will“, sagte Kagen hartnäckig. „Auf Wellington bin ich nur einer von Hunderten aller Veteranen. Teufel, jeder einzelne Truppensöldner, der sich wirklich zur Ruhe setzt, begibt sich in seine alte Kaserne zurück. Aber auf der Erde werde ich eine Berühmtheit sein. Tja, ich werde der schnellste, der stärkste Bursche auf dem ganzen verdammten Planeten sein. Das wird wohl einige Vorteile haben.“
    Grady sah langsam, aber sicher, beunruhigt aus. „Was ist mit der Schwerkraft?“ fragte er. „Dem Synthastim?“
    „Ich werde mich nach einer Weile an leichte Schwerkraft gewöhnt haben, das ist kein Problem. Und ich werde nicht mehr so viel Schnelligkeit und Ausdauer brauchen, deshalb stelle ich mir vor, daß ich die Synthastim-Gewohnheit fallenlassen kann.“
    Grady schob die Finger durch das zerzauste Haar und schüttelte skeptisch den Kopf. Es entstand ein langes, unangenehmes Schweigen. Er beugte sich über den Schreibtisch.
    Und plötzlich schoß seine Hand auf die Laserpistole zu.
    Kagen reagierte. Er stürzte nach vorn, von den wenigen Fesselstrahlen, die ihn noch immer hielten, nur leicht verzögert. Seine Hand zuckte in einem lähmenden Bogen auf Gradys Handgelenk zu.
    Und hielt plötzlich mit einem Ruck an, als die Fesselstrahlen grob zupackten, ihn starr hielten und dann zu Boden schmetterten.
    Grady – seine Hand auf halbem Weg zur Pistole erstarrt – lehnte sich im Sessel zurück. Sein Gesicht war weiß und erschüttert. Er hob die Hand, und die Fesselstrahlen lockerten sich ein wenig. Kagen quälte sich langsam auf die Füße.
    „Sie haben es gesehen, Kagen“, sagte Grady. „Dieser kleine Test beweist, daß Sie so fit wie eh und je sind. Sie hätten mich erwischt, wenn ich nicht ein paar Fesselstrahlen an Ihnen hätte hängen lassen, um sie zu verlangsamen. Ich sage Ihnen – wir brauchen Männer mit Ihrer Ausbildung und Erfahrung. Wir brauchen Sie gegen die Hranganer. Schreiben Sie sich wieder ein.“
    Kagens kalte, blauen Augen brodelten vor Zorn. „Zum Teufel mit den Hranganern“, sagte er. „Ich schreibe mich nicht wieder ein, und keiner Ihrer gottverdammten kleinen Tricks wird mich meinen Entschluß ändern lassen. Ich gehe zur Erde. Sie können mich nicht aufhalten.“
    Grady vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte.
    „In Ordnung, Kagen“, sagte er schließlich. „Sie haben gewonnen. Ich werde Ihr Gesuch akzeptieren.“
    Er schaute noch ein weiteres Mal auf, und seine dunklen Augen wirkten seltsam bewegt.
    „Sie waren ein großartiger Soldat, Kagen. Wir werden Sie vermissen. Ich sage Ihnen, daß Sie diesen Entschluß bereuen werden. Sind Sie sicher, daß Sie es sich nicht doch noch einmal überlegen?“
    „Absolut sicher“, bellte Kagen.
    Der seltsame Blick verschwand plötzlich aus Gradys Augen. Sein Gesicht nahm wieder die Maske gelangweilter Gleichgültigkeit an.
    „Also gut“, sagte er knapp. „Sie sind entlassen.“
    Die Fesselstrahlen blieben an Kagen kleben, als er sich umdrehte. Sie geleiteten ihn aus dem Gebäude hinaus.
     
    „Fertig, Kagen?“ fragte Ragelli, der lässig am Türrahmen der Kabine lehnte.
    Kagen nahm seine kleine Reisetasche auf und warf einen letzten Blick in die Runde, um sicherzugehen, daß er nichts vergessen hatte. Er hatte nichts vergessen. Der Raum war völlig kahl.
    „Schätze, ja“, sagte er und trat hinaus.
    Ragelli setzte den Plastoid-Helm auf, der unter seinen Arm geschmiegt gewesen war, und beeilte sich, Kagen einzuholen, der den Korridor entlangschritt.
    „Ich nehme an, das war’s“, sagte er, als er seine Schritte denen Kagens anpaßte.
    „Ja“, erwiderte Kagen. „In einer Woche werde ich’s mir auf der Erde gutgehen lassen, während Sie in Ihrem verdammten Duralumin-Smoking herumsitzen und Blasen an

Weitere Kostenlose Bücher