Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Ich klopfte diskret an die Tür seines Privatgemachs. »Euer Gnaden?« Ich schwöre, ich habe die Klinke nicht angefasst, allein durch das Anklopfen schwang die Tür nach innen.
Licht strömte mir entgegen. Dieses Nebengemach hatte ein Fenster und die sinkende Sonne füllte es mit Gold. Es war ein freundlicher, heller Raum, in dem es nach Holzspänen und Farbe roch. In einer Ecke rankte sich eine in einem Behälter wurzelnde Pflanze an einem Spalier hinauf. An den Wänden sah ich Amulette hängen, von gleicher Art wie Jinna sie anfertigte. Auf dem Arbeitstisch in der Mitte des Raums, zwischen verstreuten Werkzeugen und Farbtöpfen, lagen Stäbchen, Bindfaden und Perlen, als hätte er ein Amulett in seine Einzelteile zerlegt. Ich merkte, dass ich einen Schritt über die Schwelle getan hatte.
Eine Schriftrolle lag von Gewichten beschwert auf dem Tisch ausgebreitet, darauf Abbildungen von Amuletten einer ganz anderen Machart als Jinnas. Schon nach einem Blick verursachten sie mir ein mulmiges Gefühl. Das kommt mir bekannt vor, dachte ich und dann, auf den zweiten Blick, hätte ich schwören können, dass mir etwas Ähnliches noch nie unter die Augen gekommen war. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Die kleinen Perlen hatten Gesichter, die hohlen Stäbchen waren zu Spiralen geschnitzt. Je länger ich hinschaute, desto stärker beunruhigten sie mich. Mir war als könnte ich nicht richtig atmen, als wollten sie mich in sich hineinziehen.
»Komm weg da«, sagte hinter mir die Stimme des Narren leise. Ich brachte keine Antwort heraus.
Seine Hand auf meiner Schulter brach den Bann. Ich drehte mich um. »Es tut mir Leid«, stieß ich hervor. »Die Tür stand offen, und ich …«
»Ich habe dich nicht so früh zurückerwartet, oder sie wäre verschlossen gewesen.«
Das war alles, was er sagte, dann zog er mich aus dem Zimmer und machte die Tür fest zu.
Es war, als hätte er mich vom Rand eines Abgrunds zurückgeholt. Ich holte zitternd Atem. »Was war das?«
»Ein Experiment. Was du mir von Jinnas Amuletten erzählt hast, hat mich neugierig gemacht, also beschloss ich nach meiner Rückkehr selbst einen Blick darauf zu werfen. Anschließend wollte ich wissen, worauf ihre Wirkung beruhte. Ich wollte herausfinden, ob ein solches Amulett nur von einer Krudhexe angefertigt werden kann oder ob die magische Kraft in der Art der Zusammenstellung steckt. Und ich wollte ausprobieren, ob ich die Wirkung verstärken kann.« Er erzählte all das mit völlig nüchterner Stimme.
»Wie kannst du es ertragen, sie um dich zu haben?«, fragte ich. Noch immer waren meine Nackenhaare aufgestellt.
»Sie sind auf Menschen ausgerichtet. Du vergisst, dass ich ein Weißer bin.«
Diese schlichte Aussage verstörte mich ebenso sehr wie die komplexen kleinen Zeichnungen. Ich schaute den Narren an und für einen Lidschlag sah ich ihn wie zum ersten Mal. So attraktiv seine Farbe war, ich hatte noch nie jemanden mit diesem Teint, diesen Haaren und Augen gesehen. Es gab weitere Unterschiede, zum Beispiel das Gelenk zwischen Hand und Arm, das plusterige Haar – doch als unsere Blicke sich trafen war er wieder mein alter Freund seit Kindertagen. Es war ein Gefühl wie nach einem tiefen Sturz der Aufprall auf den Erdboden. Plötzlich kam mir wieder zu Bewusstsein, was ich getan hatte. »Es tut mir Leid, ich wollte nicht … Ich weiß, du legst Wert auf deine Privatsphäre …« Ich schämte mich und fühlte, wie mir das Blut heiß in die Wangen stieg.
Er schwieg einen Moment, dann sagte er ernst: »Als ich in dein Haus kam, hast du nichts vor mir verborgen.« Ich fühlte, dass diese Aussage mehr seinen Sinn für Gerechtigkeit wiederspiegelte und nicht, was er fühlte.
»Ich werde das Zimmer nie wieder betreten«, versprach ich mit Nachdruck.
Das nötigte ihm ein kleines Lächeln ab. »Nein, bestimmt nicht.«
Ich fand, jetzt sei der Moment gekommen das Thema zu wechseln, aber das Einzige, was mir einfiel, war: »Ich bin heute bei Jinna gewesen. Sie hat das für mich gemacht.« Ich öffnete den Hemdkragen.
Er schaute mit großen Augen erst auf das Amulett, dann in mein Gesicht. Aus irgendeinem Grund schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben. Dann hielt ein törichtes Grinsen auf seinem Gesicht Einzug.
»Angeblich soll es Menschen mir gegenüber freundlich stimmen«, erklärte ich. »Zum Ausgleich für mein grimmiges Äußeres, nehme ich an, obwohl sie zu höflich war es auszusprechen.«
Er atmete tief ein. »Verbirg es wieder«,
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