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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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musterten die Einzelheiten der dunklen Kammer, bevor mein Gehirn gewahr wurde, dass ich nicht mehr schlief. Merles ausgestreckter Arm lag über meiner Brust. Sie hatte im Schlaf die Decke von uns beiden heruntergestrampelt. Die Nacht barg ihre achtlose Nacktheit, hüllte sie in Schatten. Ich lag still, lauschte auf ihre Atemzüge, roch ihren Schweiß vermischt mit Parfum und versuchte herauszufinden, was mich geweckt hatte. Es ließ sich nicht greifen, aber einschlafen konnte ich auch nicht mehr. Ich wand mich unter ihrem Arm hervor, stand auf, suchte im Dunkeln nach Hemd und Hose und tappte aus der Kammer.
    Die Glut des Kaminfeuers erfüllte die Stube mit einem gedämpften rötlichen Schein, aber ich hielt mich dort nicht lange auf. Stattdessen schlüpfte ich in meine Kleider, öffnete die Tür und trat barfuß in die milde Frühlingsnacht hinaus. Einen Moment verharrte ich auf der Schwelle, gab meinen Augen Zeit, sich umzugewöhnen und ging dann durch den Garten hinunter zum Bachufer. Unter meinen nackten Fußsohlen spürte ich die kühle, harte Erde, festgetreten von meinen täglichen Gängen zum Wasserholen. Oben bildeten die Baumkronen ein geschlossenes Dach und es gab keinen Mond, aber meine Füße und meine Nase kannten den Weg so gut wie meine Augen. Ich brauchte nichts weiter tun, als mich von den Schwingungen der Alten Macht zu meinem Wolf führen zu lassen.
    Bald entdeckte ich den orangenen Schein von Harms heruntergebranntem Feuer und roch den Duft von gebratenem Fisch.
    Sie schliefen neben der Feuerstelle, der Wolf zusammengerollt und Harm an ihn geschmiegt, die Arme um Nachtauges Hals. Nachtauge öffnete bei meinem Näherkommen die Lider einen schmalen Spalt, rührte sich aber nicht. Ich habe dir gesagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.
    Ich mache mir keine Sorgen. Ich bin nur hier. Harm hatte ein paar trockene Zweige in Reichweite bereitgelegt. Ich warf sie auf die Glut, setzte mich hin und schaute zu, wie die Flammen daran entlangzüngelten. Die Helligkeit wuchs mit der Wärme. Ich wusste, dass der Junge wach war. Man kann nicht mit einem Wolf aufwachsen, ohne sich etwas von dessen Wachsamkeit anzueignen. Ich wartete darauf, dass er den Mund aufmachte.
    »Es ist nicht wegen dir. Wenigstens nicht nur.«
    Ich schaute ihn nicht an. Manche Dinge lassen sich besser im Dunkeln aussprechen. Ich wartete. Schweigen kann alle Fragen stellen, wohingegen die Zunge leicht genau das Falsche fragt.
    »Ich muss es wissen«, platzte er plötzlich heraus. Mein Herz zog sich in Erwartung der kommenden Frage zusammen. In einem Winkel meiner Seele hatte ich mich immer vor diesem Augenblick gefürchtet. Ich hätte ihn nicht zum Frühlingsfest gehen lassen dürfen, schoss es mir durch den Sinn. Wenn ich ihn hierbehalten hätte, wäre mein Geheimnis unentdeckt geblieben.
    Aber das war nicht die Frage, die er stellte.
    »Hast du gewusst, dass Merle verheiratet ist?«
    Da schaute ich ihn an, und mein Gesicht muss für mich geantwortet haben. Er schloss mitfühlend die Augen. »Tut mir Leid«, murmelte er. »Ich hätte mir denken können, dass du es nicht weißt. Ich hätte einen besseren Weg finden sollen, es dir zu sagen.«
    Und das einfache Glück einer Frau, die in meine Arme kam, wann und weil sie es gern wollte, und die verzauberten Abende mit Gesprächen und Musik und ihren dunklen Augen, die in meine schauten, das alles war plötzlich schuldbeladen und Betrug und unehrenhaft. Ich war so ein einfältiger Tropf wie eh und je, nein, schlimmer, denn die Arglosigkeit des Jünglings ist Torheit bei einem Mann. Verheiratet. Merle verheiratet. Sie hatte geglaubt, kein Mann würde sie je zum Weib nehmen wollen, denn sie war unfruchtbar. Sie hatte mir gesagt, sie würde ihr eigenes Auskommen suchen müssen, mit ihrer Musik, denn nie würde es einen Mann geben, der für sie sorgte, keine Kinder als Stütze ihres Alters. Zu der Zeit, als wir darüber sprachen, war sie vermutlich von der Wahrheit ihrer Worte überzeugt. Meine Torheit bestand darin, diese Wahrheit für unabänderlich zu halten.
    Nachtauge hatte sich erhoben und streckte sich mit knackenden Gelenken. Jetzt kam er heran und legte sich neben mich. Er bettete den Kopf auf mein Knie. Ich verstehe nicht Bist du krank?
    Nein. Nur dumm.
    Aha. Also nichts Neues. Nun, bis jetzt hat es dich nicht umgebracht Aber manchmal war es nahe dran. Ich holte tief Atem. »Erzähl mir davon.« Eigentlich wollte ich nichts hören, nichts wissen, aber Harm musste sich die Last von der

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