Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
rechtfertigt, dass wir keine Sekunde länger bleiben können. Verdammt unerfreulich. Ich wünschte, ich könnte zu meiner Schellenkappe zurückkehren und zu einer ehrlicheren Form des Jonglierens und Seiltanzens.«
»Wir reiten nicht?« Mein Verstand war noch vom Schlaf umnebelt.
»Nein. Heute Abend gibt es ein großes Festmahl zu meinen Ehren. Es wäre eine unverzeihliche Kränkung, wenn wir uns vorher davonmachen würden. Und als ich andeutete, ich könnte mich unter Umständen gezwungen sehen, meinen Besuch abzukürzen und morgen früh abzureisen, sagte man mir, Lord Grias auf der anderen Flussseite, hätte eine morgendliche Pirsch für mich geplant und eine Nachmittagsjause in seinem Landhaus.«
»Man hält dich mit Absicht hier fest. Die Bresingas haben bei dem Verschwinden des Prinzen ihre Finger im Spiel. Ich könnte schwören, dass man gestern Nacht in der Küche Verpflegung für ihn und seine Katze geholt hat. Und Nachtauge ist überzeugt, dass die Katze, die ihn angegriffen hat, wusste, dass er mit jemandem verschwistert ist. Sie versuchten, mich aus der Deckung zu locken.«
»Mag sein. Doch selbst, wenn wir dessen ganz sicher wären, könnte ich nicht vor sie hintreten und ihnen Beschuldigungen ins Gesicht schleudern. Und ganz sicher können wir nicht sein. Möglicherweise wollen sie sich nur bei Hof einen großen Namen machen. Oder mir ihre diversen heiratsfähigen Töchter andienen. Ich denke, deshalb war auch diese kleine Baroness Wisenvogel beim Souper gestern dabei.«
»Ich dachte, sie wäre Gentils Verlobte?«
»Sie hat sich heute Vormittag die größte Mühe gegeben, mich zu überzeugen, dass sie nur Kindheitsfreunde sind, ohne ein wie auch immer geartetes romantisches Interesse aneinander.« Seufzend ließ er sich an dem kleinen Tisch nieder. »Sie erzählte mir, dass sie auch Federn sammelt. Heute Abend, nach dem Essen, will sie mir ihre Schätze zeigen. Ich bin mir sicher, das ist eine Ausrede, um mehr Zeit mit mir verbringen zu können.«
Hätte mir nicht selbst die Zeit auf den Nägeln gebrannt, hätte ich über seine Bredouille grinsen müssen.
»Nun ja, ich werde zusehen, wie ich mich aus der Affäre ziehe. Und vielleicht kann man die Sache sogar zu unserem Vorteil wenden. Ach ja, ich habe einen Auftrag für dich. Wie es scheint, habe ich auf der Jagd eine silberne Kette verloren. Eben beim Mittagessen habe ich es bemerkt. Es ist eins meiner Lieblingsschmuckstücke. Du wirst den Weg von heute Morgen abreiten müssen und danach suchen. Lass dir Zeit.«
Während er redete, zog er eine Halskette aus der Tasche, wickelte sie in sein Taschentuch und hielt sie mir hin. Ich steckte das Päckchen ein. Er öffnete sein Reisebündel, warf mir einen anklagenden Blick zu, als er des hineingestopften Durcheinanders ansichtig wurde und kramte herum, bis er einen Topf mit Salbe fand und ihn mir reichte.
»Soll ich Euch die Garderobe für den Abend herauslegen, bevor ich gehe?«
Er verdrehte ironisch die Augen, während er ein zerdrücktes Hemd aus dem Packen fischte. »Ich glaube, Er hat bereits mehr als genug getan, Dachsenbless. Hebe Er sich hinfort.«
Auf dem Weg zur Tür holte seine Stimme mich ein. »Gefällt dir die Stute?«
»Ich bin zufrieden. Ein kräftiges, gesundes Tier und schnell, wie wir festgestellt haben. Du hast gut gewählt.«
»Aber du hättest dir dein Reittier lieber selbst ausgesucht.«
Fast hätte ich ja gesagt. Aber dann, als ich darüber nachdachte, stellte ich fest, es war gar nicht so. Ich hätte nach einem Gefährten Ausschau gehalten, um mich durch die nächsten Jahre zu tragen. Ich hätte Wochen gebraucht, wenn nicht Monate, um ein solches Pferd zu finden. Doch gerade jetzt, wo ich widerstrebend lernte, mich mit Nachtauges Sterblichkeit abzufinden, zögerte ich, mich einem anderen Tier so weit auszuliefern. »Nein«, antwortete ich deshalb aufrichtig, »es war besser, dass du es getan hast. Die Stute ist ein gutes Pferd. Du hast gut gewählt.«
»Vielen Dank«, sagte er leise. Es schien ihm sehr wichtig zu sein.
Hätte Nachtauge nicht gewartet, so wäre ich sicher stutzig geworden.
Kapitel 18 · Narrentreiben
Zahlreich sind die Geschichten von solchen mit der Alten Macht, die in Gestalt ihrer Geschwistertiere Angst und Schrecken verbreiten. Die blutrünstigeren Fabeln berichten von Zwiehaften in Wolfsgestalt, die die Familien ihrer Nachbarn zerreißen wie auch deren Herden. Weniger grausam sind die Märchen, die von Zwiehaften berichten, die in der Gestalt
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