Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
durch künftigen Diensteifer vergessen zu machen, auch wenn mir diese Vorstellung wie ein Stein im Magen lag und ich mir eingestehen musste, dass ich nach offenen Gesprächen und unverstellter Kameradschaft hungerte.
Solange es hell war, ritten wir weiter, dem Anschein nach von Fürst Leuenfarb geführt, doch in Wirklichkeit folgten wir lediglich der Straße. Bei Einbruch der Dämmerung begann ich, nach einem Lagerplatz Ausschau zu halten. Nachtauge schien meine Absicht zu erkennen, denn er überholte uns und lief einen flachen Hügel hinauf. Als er oben nicht wartete, sondern hinter der Kuppe verschwand, begriff ich, dass wir nachkommen sollten. »Lasst uns noch ein Stück weiterreiten«, schlug ich vor, obwohl es inzwischen allen Ernstes dunkel werden wollte. Ganz richtig belohnte uns auf der Kuppe ein Ausblick auf die verstreuten Lichter des kleinen Weilers im Talgrund. Ein Flüsschen schlängelte sich daran vorbei; ich roch das Wasser und den Rauch der Herdfeuer. Mein Magen erwachte aus seiner verdrossenen Resignation und knurrte laut.
»Ich wette, es gibt eine Herberge dort unten«, verkündete Fürst Leuenfarb begeistert. »Richtige Betten. Und wir können uns für morgen mit Proviant versehen.«
»Ob wir es wagen sollen, uns nach dem Prinzen zu erkundigen?«, fragte Laurel. Unsere müden Pferde schienen zu ahnen, dass der heutige Abend mehr zu bieten haben könnte, als hartes Gras und Wasser aus einem Bach, in dem nicht einmal Fische hausen mochten, jedenfalls trabten sie mit neu erwachter Lebhaftigkeit den Hang hinunter und zu den Häusern hin. Von Nachtauge war keine Spur zu sehen, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
»Ich werde ein paar diskrete Erkundigungen einziehen«, machte ich mich erbötig. Ich stellte mir vor, dass Nachtauge bereits damit beschäftigt war, das Terrain zu sondieren. Wenn sie durch dieses Dorf gekommen waren und wenigstens kurz Rast gemacht hatten, würde er die Katze wittern.
Mit untrüglichem Instinkt führte Fürst Leuenfarb uns zur Tür der erhofften Herberge. Der kleine Ort konnte mit einem imposanten Gebäude aufwarten, zweistöckig sogar, aus mächtigen schwarzen Steinquadern erbaut. Das Wirtshausschild jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Es war der Gescheckte Prinz, geköpft und säuberlich gevierteilt. Nicht zum ersten Mal sah ich ihn auf diese Weise abgebildet, tatsächlich zeigten die meisten Darstellungen das schmachvolle Ende des Unholds, aber diesmal ergriff mich das Gefühl einer bösen Vorahnung. Falls der Narr oder Laurel sich vom Anblick der grellbunten Tafel berührt fühlten, war es ihnen nicht anzumerken. Licht fiel in breiter Bahn aus der offenen Tür der Schänke, man hörte lustiges Gläserklingen und Stimmengewirr. Es roch nach Küche, Glimmkraut und Bier.
Fürst Leuenfarb stieg ab und trug mir auf, die Pferde in den Stall zu bringen. Laurel trat mit ihm in die lärmerfüllte Schankstube, während ich die Tiere um das Haus herum in den dunklen Wirtschaftshof führte. Gleich flog eine Tür auf und Licht schnitt einen Streifen aus der Dunkelheit des staubigen Innenhofs. Der Knecht erschien mit einer Laterne, er wischte sich kauend mit dem Handrücken über den Mund. Ich reichte ihm die Zügel, und er verschwand mit den Pferden im Stall. Nachtauge wartete in der tiefen Schwärze an der Hausecke, ich spürte seine Gegenwart. Als ich mich dem Hintereingang der Schänke näherte, löste sich ein Schatten aus der Dunkelheit und strich an mir vorbei. Diese kurze Berührung genügte, um seine Gedanken zu erkennen.
Sie waren hier. Sei vorsichtig. Ich rieche Menschenblut auf der Erde vor diesem Haus. Und Hunde. Sonst gibt es hier Hunde, aber nicht heute Nacht Er war fort, unsichtbar, bevor ich ihn nach Einzelheiten fragen konnte. Ich betrat die Schankstube mit beklommenem Herzen und leerem Magen. Drinnen richtete der Wirt mir aus, dass mein Herr bereits die beste Stube gemietet hätte und ich solle das Gepäck hinaufbringen. Lustlos machte ich kehrt und ging zurück zum Stall. Zwar musste ich zugeben, dass Fürst Leuenfarb mir sehr geschickt eine unverdächtige Gelegenheit verschafft hatte, mich dort umzusehen, aber ich empfand schlagartig eine bleierne Müdigkeit. Essen und schlafen. Wer brauchte ein Bett? Ich wäre liebend gern umgefallen, wo ich stand.
Der Knecht war noch dabei, unseren Pferden Korn in den Futterkasten zu schütten; auf Grund meiner Anwesenheit bekamen sie wahrscheinlich eine besonders großzügig bemessene Ration. Ansonsten
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