Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Größe eine zweite Herberge besitzt.« Ich ließ mich gegen die Stuhllehne sinken.
»Tom?« Des Fürsten Stimme klang gelinde verärgert. Zu Laurel bemerkt er: »Wahrscheinlich das Glimmkraut. Er hat es noch nie vertragen können. Allein schon der Qualm setzt ihn außer Gefecht.«
Ich zwang mich, die Lider zu heben. »Wie bitte?« Meine Stimme tönte mir dumpf und hohl in den Ohren.
»Woher weißt du, dass sie hier gewesen sind?«, forschte Laurel. Hatte sie die Frage eben schon einmal gestellt?
Ich war zu müde, um mir eine glaubhafte Ausrede auszudenken. »Ich weiß es eben«, blaffte ich in ihre Richtung und wandte mich dann an Fürst Leuenfarb, als wären wir unterbrochen worden. »Auf der Straße vor der Schänke ist Blut vergossen worden. Wir sollten vorsichtig sein.«
Er nickte weise. »Das Klügste wird sein, wenn wir früh zu Bett gehen und beim ersten Hahnenschrei wieder im Sattel sitzen.« Ohne Laurel Zeit für einen Einwand zu lassen, läutete er nach den Bediensteten und erhielt Bescheid, dass die Gemächer bereit waren. Laurel hatte am Ende des Ganges eine Kammer für sich allein. Für den gnädigen Herren hatte man ein größeres Gemach vorgesehen und eine Pritsche für seinen Leibdiener hineingestellt. Die Magd, die auf das Läuten erschienen war, ließ es sich nicht nehmen, Laurel das Gepäck hinterherzutragen, deshalb sagten wir uns an Ort und Stelle gute Nacht. Ich wich ihrem Blick aus. Mir fehlte die Kraft, unsere Scharade aufrechtzuerhalten, kaum dass ich mich so weit ermannte, unsere Taschen zu nehmen und schlurfend dem Knecht zu Fürst Leuenfarbs Gemach zu folgen. Er selbst blieb noch und verhandelte mit dem Wirt über Proviant für den Weiterritt am nächsten Morgen.
Unsere Kammer lag im hinteren Teil der Schänke, im Erdgeschoss. Ich schleppte unser Gepäck hinein, schloss die Tür hinter dem sich entfernenden Knecht und riss das Fenster auf. Dann suchte ich ein Nachtgewand aus Fürst Leuenfarbs Gepäck und breitete es auf seinem aufgedeckten Bett aus. Das Fleisch verstaute ich in meinem Hemd, um es später Nachtauge zu bringen. Dann setzte ich mich auf meine Pritsche und erwartete das Erscheinen Seiner Gnaden.
Ich schrak hoch, weil jemand mich am Arm schüttelte. »Fitz? Alles in Ordnung?«
Schlaftrunken befreite mich aus meinem Traum. Ich brauchte ein, zwei Augenblicke, um mich zu besinnen, wo ich war. Eben noch war ich in einer anderen Stadt gewesen, einer lebendigen, hell erleuchteten Stadt. Musik, Fackeln, Lampions. Ein Fest. Ich war kein Diener gewesen, sondern … »Vergessen«, gestand ich dem Narren benommen.
Ich hörte ein eigenartiges scharrendes Geräusch und dann einen dumpfen Prall – von Nachtauge, der auf den Fenstersims und ins Zimmer gesprungen war. Er schob seine Nase in mein Gesicht. Ich streichelte ihn geistesabwesend. Müde, ich war so müde. Meine Ohren summten.
Der Narr schüttelte mich wieder. »Fitz. Bleib wach und rede mit mir. Was hast du? Liegt es am Glimmkraut?«
»Nichts. Es war nur so friedvoll. Ich möchte gern wieder dahin zurück.« Schlaf zog an mir wie der Gezeitenstrom und ich wollte nichts lieber, als mich von ihm gewiegt hinaustragen zu lassen. Nachtauge stieß mich an.
Dummkopf. Es ist der schwarze Stein, wie auf der Straße der Uralten. Du stehst unter seinem Bann. Komm mit nach draußen.
Ich riss die Augen auf. Mein Blick fiel in das besorgte Gesicht des Narren, der sich über mich beugte, und glitt weiter zu den Mauern, die uns umschlossen. Schwarze Steine, durchzogen von silbernen Adern. Natürlich! Um die Herberge zu bauen, hatte man die Ruine eines weit älteren Gebäudes ausgeschlachtet und als wohlfeilen Steinbruch benutzt. Die Quader der inneren Wand waren nahezu fugenlos zusammengesetzt, die Außenmauer verriet gröberes Handwerk. Also hatte ich mich mit meiner ersten Vermutung geirrt. Das ursprüngliche Gebäude war zuerst dagewesen, erbaut, bewohnt, verlassen, verfallen, lange ehe Menschen sich hier ansiedelten und dieser Weiler entstand, und auf dessen Grundmauern hatte man die Herberge errichtet, unter Verwendung der Trümmer, eben der Gedächtnissteine der Uralten.
Ich weiß nicht, was der Narr dachte, als ich schwankend vom Bett aufstand. »Steine. Gedächtnissteine«, versuchte ich zu erklären, während ich zum offenen Fenster stolperte und Hals über Kopf hinaussprang. Sein verblüffter Aufschrei folgte mir, und gleich darauf auch Nachtauge, letzterer in einem eleganteren Sprung als der meine. Im nächsten Moment
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