Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Geschwistertier war ein Hund gewesen, zu einer Zeit, als wir beide noch zu jung waren, um zu erkennen, worauf wir uns einließen. Burrich hatte uns auseinander gerissen. Damals hatte ich ihn dafür gehasst, viele Jahre lang. Jetzt schaute ich den Prinzen an, förmlich besessen von dieser Katze, und schätzte mich glücklich, dass es bei mir nur der Welpe gewesen war. Irgendwie hatte sich seine Verschwisterung mit der Katze auf eine junge Frau vom Alten Blut ausgeweitet. Wenn ich ihn nach Bocksburg zurückbrachte, verlor er nicht nur sein Geschwistertier, sondern überdies eine Frau, die er zu lieben glaubte.
Welche Frau?
Er spricht von einer Frau, einer vom Alten Blut Vermutlich eine von denen, die mit ihm geritten sind.
Er spricht von einer Frau, aber er riecht nicht nach einer Frau. Findest du das nicht seltsam?
Auf dem Weg zurück zum Lager dachte ich darüber nach.
Dort angekommen ließ ich das Holz kreuz und quer auf den Boden fallen. Während ich mein Brennmaterial zurechtlegte und einen dünnen Zweig für Zunder spänte, beobachtete ich den Jungen. Er hatte das Leintuch weggepackt, die Weinflasche aber stehen lassen. Jetzt saß er trübsinnig auf einer Decke, das Kinn auf den angezogenen Knien, und starrte in die tiefer werdende Nacht.
Ich öffnete alle Barrieren und spürte zu ihm hin. Der Wolf hatte recht. Er rief nach seinem Geschwistertier, aber ich glaube nicht einmal, dass er sich dessen bewusst war. Es war ein kummervolles Fragen, das er aussandte, wie ein verirrter Welpe, der nach seiner Mutter fiept. Nachdem ich es einmal wahrgenommen hatte, konnte ich es nicht mehr ausschließen und es zerrte an meinen Nerven. Nicht nur, weil er seinen Freunden den Weg zu uns wies. Was mich störte, war die Weinerlichkeit. Es juckte mich in den Fingern, ihm eine Kopfnuss zu verpassen, aber stattdessen fragte ich in vielsagendem Ton, während ich mit Schlageisen, Feuerstein und Zunder hantierte: »Denkt der junge Herr an sein Liebchen?«
Verdutzt drehte er sich zu mir um. Leuenfarb war sichtlich echauffiert über die dreiste Frage. Ich beugte mich tiefer herab, um behutsam auf den winzigen Funken zu blasen, den ich hervorgebracht hatte. Er glühte, wuchs zu einem wabernden Flämmchen.
Der Prinz bemühte sich um ein gewisses Maß an Würde. »Meine Gedanken sind immer bei ihr«, erwiderte er leise.
Ich stellte dünne Zweige zu einem Zelt über meinem neugeborenen Feuer zusammen. »Bravo. Wie sieht sie denn aus?« Die Redeweise hatte ich in Bocksburg bei zahllosen gemeinsamen Mahlzeiten mit den Soldaten gelernt. »Ist sie …«, ich machte die unmissverständliche, universelle Gebärde, »zu gebrauchen?«
»Schweig!« Er spuckte mir das Wort entgegen.
Ich zwinkerte meinem Herrn verschwörerisch zu. »Aha, wir beide wissen, was das heißt. Es heißt, er weiß es nicht. Wenigstens nicht aus erster Hand. Oder vielleicht ist es nur die Hand, die weiß.« Ich hockte mich auf die Fersen und grinste ihn herausfordernd an.
»Dachsenbless!«, schnappte der Fürst. Es schien mir wahrhaftig gelungen zu sein, ihn zu schockieren.
Ich stellte mich taub. »Tja, immer die alte Leier, stimmt’s? Er schwärmt und schwärmt, aber er hat sie nie auch nur geküsst, erst recht nicht …« Ich wiederholte die Geste.
Die Stichelei zeigte den gewünschten Effekt. Während ich die Flammen mit größeren Holzstücken fütterte, erhob der Prinz sich beleidigt. Im Feuerschein glühte sein Gesicht hochrot, die Nasenflügel waren vor Wut eingekniffen. »So ist es nicht«, stieß er heiser hervor. »Sie ist keine … Aber du kennst natürlich nichts anderes als Huren! Sie ist eine Frau, auf die zu warten sich lohnt, und wenn wir uns schließlich einander öffnen, wird es eine erhabenere und süßere Erfahrung sein, als du dir vorstellen kannst. Ihre Liebe ist von der Art, die man sich verdienen muss, und ich werde mich ihrer würdig erweisen.«
Das alte Lied und doch immer wieder neu. Die Schwärmerei eines Knaben, genährt von höfischen Balladen, idealisierende Vorstellungen von etwas, das er nie erlebt hatte. Die unschuldige Leidenschaft loderte in seinem Blut, und hehre Erwartungen leuchteten in seinen Augen. Ich versuchte, mir eine zynische Erwiderung einfallen zu lassen, der Rolle gemäß, die ich mir ausgesucht hatte, brachte sie aber nicht über die Lippen. Der Narr rettete mich.
»Dachsenbless«, rügte Fürst Leuenfarb seinen frechen Diener streng. »Genug davon. Kümmere Er sich um den Braten!«
»Sehr wohl, Euer Gnaden.«
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