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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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stehen.
    »Erzähl’s mir«, bat sie leise.
    Vorsicht, in Fleisch und Blut übergegangen, hinderte mich daran, der Versuchung zu erliegen. Ich wusste nicht, wie weit Chade sie ins Vertrauen gezogen hatte. »Wir haben unseren Auftrag ausgeführt.«
    »Das habe ich mir gedacht«, versetzte sie bissig. Dann seufzte sie. »Und ich weiß, dass es sinnlos ist, dich zu fragen, was es für ein Auftrag war. Aber erzähl mir von dir. Du siehst schrecklich aus – die Haare und die zerlumpten Kleider. Was ist passiert?«
    Von allem, was ich durchgemacht hatte, war nur ein Ereignis mein eigen, über das ich reden oder schweigen konnte, wie ich es für richtig hielt. Ich sagte es ihr. »Nachtauge ist tot.«
    Regengeprassel füllte ihr Schweigen. Dann schlang sie tief aufseufzend die Arme um mich. »Oh, Fitz«, sagte sie leise. Sie lehnte den Kopf an meine zerkratzte Brust. Ich sah den hellen Scheitel in ihrem schwarzen Haar und roch ihren Duft und den Wein, den sie getrunken hatte. Ihre Hände strichen sanft, beruhigend an meinem Rücken hinauf und hinunter. »Wieder allein. Das ist nicht gerecht. Das hast du wirklich nicht verdient. Um dich spinnt sich das traurigste Lied, das ich je gehört habe.« Windböen fegten ums Haus, peitschten den Regen unter unseren schützenden Dachvorsprung, aber sie hielt mich fest, und ein Nest aus Wärme bildete sich zwischen uns. Sie schwieg lange Zeit. Ich hob die Arme und legte sie um ihren schlanken Körper. Genau wie damals, schien es unvermeidlich. Sie sprach an meiner Brust. »Ich habe eine Kammer nur für mich. An der Flussseite der Herberge. Komm zu mir. Ich weiß ein Mittel gegen deine Schmerzen.«
    »Ich – danke dir.« Das wird die Wunde nicht heilen, wollte ich ihr sagen. Hätte sie mich je gekannt, wüsste sie das. Aber Worte konnten ihr nicht begreiflich machen, was sie nicht selbst spürte. Auf einmal wusste ich das Schweigen und die Zurückhaltung des Narren zu schätzen. Er hatte es gewusst. Keine andere Form von Nähe konnte mich für den Verlust meines Wolfs entschädigen.
    Immer noch fiel der Regen. Sie lockerte ihre Umarmung und schaute mir ins Gesicht. Ein Kerbe grub sich zwischen ihre schön geschwungenen Augenbrauen. »Du wirst heute Nacht nicht zu mir kommen. Habe ich Recht?« Es klang ungläubig.
    Seltsam. Ich war in meinem Entschluss schwankend geworden, aber die Art, wie sie fragte, half mir die richtige Antwort zu finden.
    Ich schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich weiß die Einladung zu schätzen. Aber es würde nicht helfen.«
    »Glaubst du wirklich?« Sie bemühte sich um einen leichten, tändelnden Ton, aber es gelang ihr nicht ganz. Sie bewegte sich, sodass ihre Brüste mich streiften, wie zufällig, aber es war kein Zufall. Ich trat einen Schritt zurück und ließ die Arme fallen.
    »Ich weiß es. Ich liebe dich nicht, Merle. Nicht auf die richtige Art.«
    »Mir scheint, dass du das schon einmal zu mir gesagt hast, vor langer Zeit. Aber viele Jahre lang hat es geholfen. Es war gut.« Ihre Augen forschten in meinem Gesicht. Sie lächelte siegesgewiss.
    Nein. Ich wollte nur glauben, dass es hilft. Das hätte ich ihr antworten können, aber es wäre unnötige Offenheit gewesen. Deshalb sagte ich nur: »Der Fürst erwartet mich. Ich muss hinaufgehen.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »So ein trübseliger Schluss für eine traurige Geschichte. Und ich bin die Einzige, die sie von Anfang bis Ende kennt und trotzdem ist es mir nicht erlaubt, davon zu singen. Was für eine Ballade sich daraus machen ließe! Der Sohn eines Königs, der für das Wohl seiner Familie und des Reiches sein eigenes Glück opfert, um schließlich als der geknechtete Diener eines dünkelhaften fremdländischen Edelmanns zu enden. Er kleidet dich nicht einmal angemessen. Die Demütigung muss doch kaum zu ertragen sein.« Sie schaute mir tief in die Augen und suchte – was? Groll? Zorn?
    »Eigentlich stört es mich nicht sehr«, erwiderte ich verwirrt. Dann, als hätte jemand einen Vorhang aufgezogen und Tageslicht in einen dunklen Raum gelassen, begriff ich. Sie wusste nicht, dass Fürst Leuenfarb in Wirklichkeit der Narr war. Sie sah mich wirklich nur als seinen Diener, der ihr in seinem Auftrag eine Nachricht überbracht hatte. Ungeachtet all ihrer Vagantenschläue schaute sie ihn an und sah nur den reichen jamaillianischen Edelmann. Ich kämpfte gegen das Lächeln an, das auf mein Gesicht drängte. »Ich bin zufrieden mit meiner Stellung bei ihm und dankbar, dass Chade sie mir

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