Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
uns.«
» Soll das heißen, ihr habt es so geplant?«
Er hob die Schultern auf eine Weise, die andeutete, dass diese Frage komplexer war, als sie es beabsichtigt hatte. » Es gibt Pläne, und es gibt Pläne. Bei vielem von dem, was wir tun, kommt es auf Timing und Glück an. Aber in deinem Fall haben wir ausführlich darüber nachgedacht, wie wir dich herausholen. Wir beobachten dich schon eine ganze Weile und haben nur auf den richtigen Moment gewartet. Es war Jackie, die alle Informationen zusammengefügt und das Startsignal gegeben hat. Die Episode in der Bio-Anlage war inszeniert und ihr plötzliches Verschwinden aus der Baracke letzte Nacht ebenfalls. Sie wusste, dass du ins Krankenhaus kommen würdest, um sie zu suchen. Offen gestanden, ich fand die ganze Operation ein bisschen zu sehr ausgetüftelt, und ich hatte meine Zweifel, aber Jackie hat sich zum Glück durchgesetzt. Und ich bin im Nachhinein froh, dass ich sagen kann, sie hatte recht.«
Sara war völlig fassungslos. » Jackie… gehört zu euch?«
Eustace nickte. » Die Frau war von Anfang an bei uns, eine führende Agentin. Ich kann dir nicht sagen, wie viele Angriffe sie organisiert hat. Ihre letzte Mission war es, dich zu uns zu holen.«
Sara suchte nach Worten und fand keine. Sie brachte die Frau, von der Eustace da redete, einfach nicht mit der in Einklang, die sie kannte. Jackie? Ein Mitglied der Rebellion? Mehr als ein Jahr lang hatte Sara sie praktisch immer vor Augen gehabt. Sie hatten einen Meter weit voneinander entfernt geschlafen, sie hatten Seite an Seite gearbeitet und jede Mahlzeit zusammen eingenommen. Alles hatten sie einander erzählt. Das ergab keinen Sinn; es war nicht möglich. Aber dann:
» Wieso ihre ›letzte‹?«
Etwas in der Atmosphäre veränderte sich. Eustace warf Nina einen Blick zu und sah dann wieder Sara an. » Es tut mir leid«, sagte er. » Jackie ist tot.«
Das war ein harter Schlag. » Unmöglich!«
» Ich fürchte, es ist wahr. Ich weiß, sie hat dir viel bedeutet.«
» Sie bringen niemanden vor Einbruch der Dunkelheit aus dem Krankenhaus! Ich habe den Kastentransporter gesehen! Wir müssen sie holen!«
» Sara, hör mir zu…«
» Wir haben noch Zeit! Wir müssen etwas unternehmen! Warum unternehmt ihr nichts?«
» Weil es zu spät ist.« Eustace schwieg, und sein gesundes Auge war fest auf ihr Gesicht gerichtet. » Jackie war nie im Hospital. Das versuche ich doch zu sagen. Jackie hat das Auto gefahren.«
Es fühlte sich an, als zerbreche etwas. Genau so fühlte es sich an: Etwas in ihr zerbrach. Ein letzter Schnitt: Der letzte Faden, der sie mit dem Leben verband, das sie kannte, wurde durchtrennt. Sie schwamm, schwamm davon.
» Sie wusste, wie krank sie war. Im besten Fall hätte sie noch ein paar Monate durchgehalten, bevor sie sie auf den Fressplatz geschickt hätten.« Eustace beugte sich vor. » Sie wollte es so. Es war der krönende Moment einer glorreichen Karriere. Anders hätte es nicht sein dürfen.«
» Sie ist tot«, sagte Sara vor sich hin.
» Sie hat getan, was sie tun musste. Jackie war die Heldin unserer Rebellion. Und jetzt bist du hier, bereit, da weiterzumachen, wo sie aufgehört hat.«
Anscheinend brachte sie es nicht über sich zu weinen. Sie überlegte, warum das so war, und dann wusste sie es: Die letzten Tränen ihres Lebens waren schon geflossen, und sie hatte keine mehr in sich. Wie seltsam, nicht weinen zu können. Jemanden zu lieben, wie sie Jackie geliebt hatte, und keine Trauer im Herzen zu finden.
» Warum ich?«
» Weil du sie hasst, Sara. Weil du keine Angst vor ihnen hast. Das habe ich dir angesehen, an dem Tag auf dem Lastwagen, weißt du noch?«
Sara nickte.
» Es gibt zwei Sorten von Hass. Die eine gibt dir Kraft, die andere nimmt sie dir. Deiner ist von der ersten Sorte. Das habe ich immer gewusst. Und Jackie wusste es auch.«
Es stimmte, sie hasste sie. Sie hasste sie wegen ihrer lüsternen Blicke, wegen ihrer hämischen Grausamkeit. Sie hasste sie wegen ihrer Wassergrütze und ihrer eiskalten Duschen, sie hasste die Lügen, die sie zum Schreien brachten, sie hasste ihre Schlagstöcke und das selbstgefällige Grinsen auf ihren Gesichtern. Sie hasste sie mit jeder Faser, mit ihren Knochen und ihrem Blut, mit allen Zellen ihres Körpers. Ihre Nerven sprühten Funken vor Hass, ihre Lunge atmete Hass ein und aus, und ihr Herz pumpte ein Elixier aus purem Hass durch ihre Adern. Sie war lebendig, weil sie sie hasste, und sie hasste sie vor allem, weil sie
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