Dieb meines Herzens
Leona an sich, das dich so reizt?«
»Sagen wir mal, ich finde sie interessant.«
»Sie ist attraktiv?«
»Sie ist …« Thaddeus suchte nach dem richtigen Wort. »Faszinierend. Aber das ist nicht der Grund, warum ich sie wiederfinden muss.«
»Und was ist der Grund?«
Thaddeus lächelte matt. »Sie ist die einzige Frau außerhalb meiner Familie, die die Wahrheit über mich kennt und keine Angst vor mir hat.«
Plötzliches und völliges Verständnis blitzte in Calebs Augen auf.
»Eine unwiderstehliche Verlockung«, sagte er.
10
Der schlanke hübsche Mann mit dem hellblonden Haar und den ebenso hellen Augen sah so unschuldig aus wie ein Chorknabe, doch er hatte etwas an sich, das bei Dr. Chester Goodhew sämtliche Alarmglocken schrillen ließ. Mit Logik konnte er seine Reaktion nicht erklären, daher zog er es vor, die Warnsignale zu ignorieren. Schließlich hatte der Gentleman
goldene Uhranhänger, der Onyxring sah echt aus, Mantel und Hose stammten fraglos von einem teuren Schneider. Kurz und gut, Mr Smith, wie er sich nannte, schien ein idealer Klient zu sein.
»Ich hörte, dass Sie mich an eine Frau empfehlen können, die böse Träume deuten kann.« Mr Smith lächelte sein engelhaftes Lächeln, zog seine Hose aus feinem Wollstoff hoch und kreuzte die Beine. »Ich bin schon ganz verzweifelt. Meine Albträume lassen mich seit Monaten nicht schlafen.«
Für einen Menschen, der an chronischer Schlaflosigkeit litt, wirkte er erstaunlich ausgeruht. Eine höchst überflüssige Feststellung, dachte Goodhew. Es ging hier ums Geschäft.
»Ich könnte Ihnen vielleicht helfen.« Goodhew lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, stützte die Ellbogen auf die Arme und tippte mit den Fingerspitzen gegeneinander. Smith schien ein Kandidat für die Dienste zu sein, die er neuerdings anbot.
»Darf ich fragen, wer Sie an mich verwies?«, fragte er.
Smith rümpfte angeekelt die Nase. »Ein Quacksalber in der Crewton Street namens Dr. Bayswater. Er versuchte mir einige seiner Patentmittelchen anzudrehen. Ich wollte das Zeug aber nicht anrühren. Man weiß ja nie, was diese Stärkungsmittel und Elixiere enthalten, die Typen wie er anbieten.«
Beide blickten ein wenig nachdenklich auf die Kollektion von Fläschchen auf dem Regal neben Goodhews Schreibtisch. Auf der Tafel an der Eingangstür stand DR. GOODHEWS NATURHEILMITTEL. Die gerahmten Plakate an der Wand priesen die verschiedenen Arzneien an, die hier feilgeboten wurden, von einem Frauentonikum angefangen über Magenbitter, Hustensirup, Schlafmittel bis zu einem Vitalelixier für Männer.
»Die Wirksamkeit einer Arznei hängt von der Erfahrung des Arztes ab, der sie herstellt«, sagte Goodhew aalglatt. »Sehr klug, dass Sie auf Bayswaters billige Mixturen nicht hereingefallen sind. Meist handelt es sich nur um Zuckerwasser mit einem Schuss Sherry für den Geschmack. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Mittel von höchster Qualität sind und nur die wirksamsten Ingredienzien enthalten.«
»Das bezweifle ich nicht, Dr. Goodhew. Aber wie ich Bayswater und einigen anderen Ärzten heute erklärte, suche ich eine Therapie, die nicht auf unnatürlichen chemischen Mitteln beruht.«
»Ich gebrauche nur natürliche Zutaten.« Goodhew räusperte sich. »Ich muss schon sagen, es wundert mich sehr, dass Bayswater Sie zu mir schickte. Er und ich stehen nicht auf bestem Fuß.«
Smith lächelte wohlwollend. »Er versuchte mir meinen Wunsch auszureden, jemanden zu konsultieren, der mit Kristallen arbeitet. Er sagte, alle Kristallmedien seien Betrüger. Doch ich ließ mich davon nicht abbringen und brachte ihn dazu, mir einen anderen Arzt zu empfehlen.«
»Ich verstehe.« Goodhew tippte wieder die Fingerspitzen gegeneinander. »Nun, wenn Sie sicher sind, dass Sie keine erprobte Arznei wie mein Schlafmittel …«
»Ganz sicher.«
»Dann werde ich für Sie bei Mrs Ravenglass gern einen Termin machen lassen.«
Smiths lange Finger umklammerten den geschnitzten Griff seines Spazierstocks fester. Eine störende Aura der Vorfreude ging von ihm aus.
»Mrs Ravenglass ist der Name des Kristallmediums?«
»So ist es.« Goodhew beugte sich vor und griff nach seinem
in Leder gebundenen Terminkalender. »Würde Ihnen Donnerstagnachmittag um drei passen?«
»Bis dahin sind es noch drei Tage. Ist heute nichts mehr frei?«
»Leider nein. Dann vielleicht Mittwochnachmittag?«
Eine sonderbare Reglosigkeit überkam Smith. Seine Miene blieb unverändert, er machte keine Bewegung, doch aus
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