Diebesgeflüster - Band 3
gewesen.«
»Warum nicht?«
»Du bist neugieriger, als es deine Lage erlauben sollte, Tebby. Du bist kein dummes, kleines Mädchen mehr. Streng dein Köpfchen an, dann weißt du, wann du schweigen solltest. Jetzt zum Beispiel. Bring mir das Banner, vielleicht beantworte ich dann deine Fragen. Möglicherweise werde ich meinen Werwolf sogar zu dieser Unterhaltung rufen. Natürlich nur, wenn du das möchtest.«
Angst griff mit kalten Spinnenbeinen nach Tebby. »Wenn den Kleinen etwas geschieht ...«, würgte sie hervor und fand, dass diese begonnene Drohung selbst in ihren eigenen Ohren kümmerlich klang.
»Glaub mir, wenn es zum Krieg kommen sollte, werden sie dankbar sein, wenn sie vorher im Schlaf erstickt werden. Alles liegt in deiner Hand, Tebby. Geh und mach deine Sache gut.«
Tebby hockte neben Javin auf der Sitzbank der kleinen Kutsche, die sie von der Stadt des Großfürsten fortbrachte. Nicht einmal von den Kindern hatte Tebby sich verabschieden dürfen. Sie hatte nur das Wort des Großfürsten, dass die Kinder sich wirklich in seiner Gewalt befanden. Ein grausames Druckmittel, um Tebby zur Erfüllung des fürstlichen Auftrags zu zwingen.
Und was für ein Auftrag war das! Tespins Hald, die Hauptstadt des Nachbarreiches, kannte Tebby nur aus Erzählungen. Weit war sie nicht herumgekommen, seit die Mutter gestorben und Tebby mit einem Schlag von der älteren Schwester zum Ernährer und Beschützer erhoben worden war.
Sie ärgerte sich, dass der Großfürst scheinbar vom ersten Diebeszug an alles über Tebby in Erfahrung gebracht hatte. Seit wie vielen Monaten ließ der Kerl Tebby schon beschatten?
Der nächste Gedanke jagte wie ein tollwütiger Köter durch Tebbys Hirn: ein Werwolf! Eine Gänsehaut überlief Tebby, obwohl sie in einen dicken Mantel gehüllt neben Javin saß – und noch eine Wolldecke über den Beinen lag.
Der Diener räusperte sich leise, als hätte er den Schauder gespürt, der Tebbys Körper geschüttelt hatte.
Tebby warf dem Mann einen finsteren Blick zu. Schlimm genug, dass der Großfürst der Meinung war, einen Dieb auf eine tödliche Mission schicken zu müssen und die Kleinen als Geiseln zu behalten. Zumal der Kerl genau wusste, dass Tebby ein Mädchen war. Hätte er ihr wenigstens eine schlagkräftige Truppe mitgegeben. Aber nein, Seine Hoheit sandte einen Leibdiener aus, der eine Tafel zu decken und Speisen auf Teller zu häufen vermochte!
Javin lächelte dünn. Erfreut sah es auch nicht aus. Doch die Nuance von Hohn entging Tebby ebenso wenig wie der Anschein von Mitgefühl.
»Vor vier Jahren stand ich wie du am Scheideweg.«
Tebby blickte Javin verblüfft an. Bis zu diesen Worten war sie sich nicht einmal sicher gewesen, dass der Diener sprechen konnte! Außer mürrischem Knurren hin und wieder pflegte Javin nämlich nichts von sich zu geben. In Anbetracht einer gemeinsamen Reise von mittlerweile vier Tagen stellte das den Gipfel der Wortkargheit dar.
Javin lächelte. Seine weißen Zähne blitzten im Sonnenlicht. Mit einem Mal schien der Diener wie verwandelt. Er nickte, und in seinen Augen leuchtete etwas auf. »Ich bekam eine zweite Chance – wie du jetzt. Ich habe Seine Hoheit in Gedanken ebenso verflucht, wie du das im Moment ganz bestimmt tust.«
»Du stehst immer noch in seinen Diensten.« Tebby hätte sich zwar gerne auf die Zunge gebissen für den vorwurfsvollen Tonfall, doch die Worte waren gesprochen.
Javin nickte erneut. »Freiwillig. Nachdem ich meine Probe bestanden habe, hat Seine Hoheit mir freigestellt, mich zurückzuziehen. Ein Landhaus, wie er es auch dir anbietet. Er hält immer sein Wort, Tebby.«
»Und wen hat er dir gegenüber als Geisel verwandt?« Tebby hasste den harten, beinahe zänkischen Tonfall, den sie in der eigenen Stimme vernahm.
»Niemanden. Ich hatte keine Seele mehr, kein Zuhause, nichts, wohin ich hätte flüchten können. Es gab für mich nur noch den Tod oder die Chance, die Seine Hoheit mir bot. Ich habe das Beste daraus gemacht. Du siehst nur einen Diener des Großfürsten in mir, Tebby. Aber ich besitze sein Vertrauen und seine Zuneigung.«
Tebby dachte an den veränderten Tonfall, als der Fürst mit seinem Diener gesprochen hatte. Weicher, nicht so gelangweilt und spöttisch.
Aber ich will kein Schoßhund des Fürsten werden, verdammt! Ich tu das nur für meine Brüder.
»Ich fand, das solltest du wissen. Konzentriere dich auf deine Aufgabe, Tebby. Bring sie hinter dich. Ich helfe dir, wie und wo ich nur kann. Ich
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