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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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Appetit auf einen kleinen
Imbiß.«
    Aber das stimmte gar nicht; der Onager schnüffelte nur kurz
an der jämmerlichen Entschuldigung für eine richtige
Pflanze und entschied, daß er sie nicht mochte. Er stieß
einen seiner ohrenbetäubend lauten und schrillen Schreie aus und
trabte ein paar Schritte näher, um sich zwischen die Pferde zu
schieben.
    Kurz darauf sagte Mignureal: »Du wirst es nicht glauben, aber
Wunder und Schätzchen haben sich gerade mit den Nasen
berührt.«
    »Wunder? Kommt dir dein guter Geschmack abhanden?«
fragte Hanse.
    Wunder antwortete nicht. Nach einiger Zeit ließ sich der
dämliche Esel wieder zurückfallen und folgte ihnen eine
Weile zufrieden. Er und die Pferde schleppten sich schwitzend dahin.
Ihre Reiter hingen schlaff in den Sätteln, schmutzig und
schwitzend. Wunder döste hinter Hanses Sattel.
    Als Mignureal einen bläulichen Streifen am Himmel
erspähte, war das für sie und Hanse Anlaß genug, sich
fünf Minuten lang darüber zu unterhalten. Zehn weitere
Minuten lang schwärmte sie davon, wie sich der Himmel über
Freistatt oder draußen auf der See veränderte.
    Als sie ihre Pferde zusammenführten, um sich den Wassersack
hin und her zu reichen und sich die Gesichter mit dem nassen Tuch
abzuwischen, erhob sich Wunder. Er streckte sich, setzte sich auf die
Hinterbeine, leckte sich eine Pfote, und als er gähnte, zog er
eine Grimasse, wie man kaum eine fürchterlichere auf dem ganzen
Planeten finden konnte. Dann sprang er mit einem
leichtfüßigen kleinen Satz auf die zusammengerollte Decke
und die Röcke hinter Mignureals Sattel. Inja zuckte zusammen,
aber es war kaum mehr, als würde ein Pferd die Achseln zucken.
Es schien vollauf zufrieden zu sein, daß es still stehen
konnte.
    »Mir ist vor Schreck fast das Herz stehengeblieben!«
rief Mignureal aus.
    Hanses gerunzelte Stirn glättete sich wieder. »Es macht
ihm wohl Spaß, bei allen kurz vorbeizuschauen. Du bist als
nächster an der Reihe, Blödarsch.«
    »Hanse, laß uns dem Onager einen Namen geben.«
    Hanse hob kurz die Schultern. Nachdem er die Wasserflasche wieder
verschlossen hatte, schnalzte er seinem Pferd zu. »In Ordnung.
Denk dir einen aus. Aber Schätzchen kommt nicht in
Frage.«
    Nach ein paar Minuten meldete sich Mignureal wieder zu Wort:
»Wie wär’s mit… Molin?«
    Hanse brach in lautes Gelächter aus. Molin Fackelhalter war
der rankanische Hohepriester von Freistatt. Warum nicht? Doch dann
runzelte er die Stirn. Benutzte sie vielleicht nur eine List, um sich
so über die Götter lustig zu machen? Er grübelte
darüber nach und dachte sich während der nächsten
Meile einen Gegenvorschlag aus.
    »Wie wär’s mit Enas, nach dem guten, alten Enas
Yorl, dem Magier, oder was-immer-er-ist?«
    Mignureal lachte.
    Eine weitere Nacht und ein weiterer Tag in der Wüste. Die
Pferde und der Onager schleppten sich schwitzend dahin. Ihre Reiter
hingen schlaff in den Sätteln und schwitzten. Und die Sonne war
ein Dämon, der direkt aus der Heißen Hölle
entsprungen war.
    Das einzig Interessante war Hanses Unterricht. Jeden Tag, mehrere
Male täglich, wenn sie Rast machten, um sich ein wenig zu
strecken und sich die Beine zu vertreten, übte er. An dem Tag,
als sie beschlossen hatten, mit dem Unterricht zu beginnen, hatte
Mignureal darauf hingewiesen, daß der Sand eine ausgezeichnete
Tafel abgab. Man konnte problemlos in ihm malen oder schreiben und
alles wieder wegwischen und von neuem beginnen, oder man brauchte nur
ein paar Schritte weiter zu gehen und hatte wieder eine leere Tafel.
Und so lernte Hanse, seinen Namen zu schreiben. Als Griffel benutzte
er irgendeins seiner Messer, und der Sand war seine Tafel. Er war
immer besser geworden. Er mußte nur einen geraden Strich
machen, dann noch einen, und beide mit einer Linie in der Mitte
verbinden. Und dann dasselbe noch einmal, nur mußte er diesmal
die beiden senkrechten Linien mit den Spitzen schräg nach oben
zusammenführen, bevor er sie wieder auf die gleiche Weise
miteinander verband. HANSE…
    Er konnte es kaum erwarten, daß ihn irgend jemand
aufforderte, irgend etwas zu unterschreiben! Nun würde er keinen
Grund mehr haben, sich zu ärgern und zu schämen! Wie
großartig das nach all den Jahren war, zeigen zu können,
daß er gebildet war, daß er seinen eigenen Namen lesen
und schreiben konnte!
    Wunder setzte seine Streifzüge fort. Eine Zeitlang ritt er
auf dem Gepäck des Onagers – Enas, obwohl er immer noch ein
blöder Arsch war –, sprang von Zeit zu

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