Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
dein Pferd, Mignue. Schon
gut, schon gut, ich werde es so lange halten. Aber klettere jetzt in
den Sattel!«
»Sie.« Sie setzte die Katze auf den Boden und stellte
den Fuß in Hanses verschränkte Hände. »Sie,
Liebling. Sie, nicht es.«
»Nenn mich nicht Liebling, wenn du mir widersprichst und mich
überredest, etwas zu tun, das ich gar nicht will. So. Und was
sollen wir jetzt mit ihm tun?… mit ihr, mit ihr. Sie wieder in
die Satteltasche stecken?«
»Ich kann sie tragen, wenn ich reite…«
»Nein.«
Mignureal war sein Tonfall nicht entgangen. Außerdem war ihr
auch schon klar geworden, daß ihr Vorschlag keine gute Idee
war. »Ja. Dann also zurück in diese häßliche
alte Tasche, und gib sie her. Ich werde sie hier vor meinem
Körper verstauen.«
Hanse nahm vier Münzen aus der Tasche und steckte sie in
seine Gürteltasche. Er reichte Mignureal vier andere.
»Hier, schieb sie unter deine Bluse.«
Ihre Stimme klang unwillig. »Ich bin da schon mit Münzen
überladen, Hanse!«
Mit finsterem Gesicht hielt er ihr die vier Silberstücke
weiter entgegen. Mignureal seufzte und verstaute sie in der
Schatzkammer zwischen ihren Brüsten. Hanse ging zu dem Packpferd
und stopfte die restlichen drei Münzen in den erstbesten Packen,
den er fand. Nachdem er ihn verschnürt hatte, schob er die
bemitleidenswerte scheckige Möchtegernkatze in den Lederbeutel
zurück. Als er sie Mignureal reichte, drang ein kaum
hörbares »Miau« daraus hervor, als steckte ein noch
ganz junges Kätzchen in der Tasche.
Irgend etwas ist faul mit diesen elf Münzen, dachte
Hanse, als er sich in den Sattel des großen Grauen zog.
»Alles klar, Pferd, auf geht’s.« Er ließ die
Zügel locker, zupfte daran und stieß dem Tier gleichzeitig
die Fersen in die schlanken Flanken.
Das alte Eisenmaul rührte sich nicht.
Oh, verdammt! Wenn ich ›Haiya‹ sage, schießen
wir los wie ein Pfeil von einer gespannten Bogensehne. Wie kann ich
dieses verfluchte Vieh nur dazu bringen, im Schrittempo zu
gehen?
Mit hoch erhobenem Schwanz kam Wunder um das Pferd herum und
starrte es an. Im Vergleich zu ihm wirkte der rote Kater ziemlich
klein. Das Pferd blickte zu ihm hinab. Es zog an den Zügeln.
Hanse schluckte nervös und lockerte seinen Griff. Der Graue
senkte den Kopf. Er und Wunder starrten sich an, dann stubsten sie
ihre Nasen aneinander. Das Pferd hob den Kopf wieder. Wunder schritt
gemächlich einher, blickte zu Hanse empor und duckte sich.
O nein. »Wunder, nein, tu das ni…«
Im gleichen Augenblick war Wunder hinter Hanse gelandet, und ihr gemeinsames Reittier setzte sich im ruhigen Schrittempo in
Bewegung und hielt auf die Straße zu, die in den Wald
führte.
Dieser Kater hat etwas Seltsames an sich, dachte Hanse, als
er einen kurzen Blick über die Schulter warf, um sicherzugehen,
daß ihm Mignureal und die Pferdekarawane folgten. Sie folgten
ihm wirklich. Der kleine Zug verschwand im Wald.
Während sie zwischen den Bäumen dahinritten, versuchte
Hanse, aufmerksam und wach zu bleiben, aber er wurde immer
müder. Die Sonne war schon vor Stunden untergegangen.
Mitternacht war bereits vorüber. Er hatte einen anstrengenden
Tag und eine noch anstrengendere Nacht hinter sich. Nun griff die
Müdigkeit nach ihm, obwohl er sich bemühte, wachsam auf
weitere Tejana und auf alle möglichen Tiere zu achten, die in
dem tintenschwarzen Wald hausen mochten. Die Aufregung und das
Adrenalin in seinen Adern waren verflogen und ließen ihn
langsam zusammensinken.
Doch gleichzeitig fiel es ihm schwer, an etwas anderes als an
diese wirklich merkwürdige alte Satteltasche und ihren neuen
Inhalt zu denken. Eine winzige, erbarmungswürdig aussehende
Katze und elf Münzen! Eine kleine scheckige Katze und elf
Silberstücke.
Wozu?
Warum?
Stimmte vielleicht etwas mit den Münzen nicht, die mit dem
Kopf des Kaisers von Ranke geprägt waren?
Und überhaupt, wie konnte er, selbst in seiner Hast, die
Satteltasche übersehen haben, als er den Sattel aufgehoben,
geschleppt, dem Pferd auf den Rücken geworfen und festgezurrt
hatte?
Offensichtlich gab es dafür keine Erklärung, und deshalb
lohnte es sich auch nicht darüber nachzugrübeln. Aber
natürlich dachten er und Mignureal kaum an etwas anderes.
Schweigend ritten sie die ›Straße‹ entlang, einen
breiten Pfad, auf dem gerade einmal zwei Pferde bequem nebeneinander
gehen konnten. Die anderen Tiere folgten ihnen in einer Reihe
hintereinander.
Mehrere Stunden vergingen, und sie konnten keine
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