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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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gab, beschloß er, auch etwas zu
trinken. Er machte auch den Versuch, Regenbogen etwas anzubieten,
aber Regenbogen zeigte überhaupt kein Interesse. Das war
beruhigend. Mignureal, die er lange geneckt, überredet und
herausgefordert hatte, probierte ein wenig.
    »Iiihhh!« machte sie. Es sei bitter, behauptete sie, und
damit war das Thema Bier für sie erledigt. Wunder leckte sein
Bier ungerührt weiter, während Mignureal und Regenbogen
feine Damen spielten.
    »Jetzt wird es Zeit, unser Silber zu zählen,
Mignue«, sagte Hanse schließlich, »und ich habe fast
schon Angst davor, in meiner Schärpe nachzusehen.«
    Sie nickte, zögerte einen Moment lang und begann dann, die
Münzen hervorzuholen, die sie überall an ihrem Körper
trug. Kurz darauf stieß Hanse einen erleichterten Seufzer aus;
seine auseinandergefaltete Schärpe enthielt neunundzwanzig
Silberstücke, die gleiche Menge, die er dort vor einigen Stunden
eingewickelt hatte. Wenn er auch nicht schreiben und lesen konnte,
konnte er doch zählen und rechnen. Es war ihm leichtgefallen,
das zu lernen. Als Anreiz hatte ihm die Erkenntnis geholfen,
daß zählen zu können, was man besaß, ausgab
oder bekam, wichtiger als Schreiben und Lesen war.
    Er zählte ihre Münzen, indem er sie zu ordentlichen
Häufchen von jeweils zehn Stück auftürmte. Als er
damit fertig war, warf er die Häufchen mit einer schnellen
Handbewegung wieder um. Jetzt war Mignureal an der Reihe. Sie kam auf
die gleiche Zahl; ihr gemeinsames Vermögen belief sich auf
neunundachtzig silbernen Kaisermünzen. Hanse zählte zwanzig
Münzen ab und steckte sie in die rissige alte Satteltasche. Aber
damit war er immer noch nicht zufrieden, zusammen zählten sie
noch einmal die restlichen Münzen. Mignureal verbarg wieder drei
Häufchen zu zehn und zwei zu fünf Münzen an ihrem
Körper. Hanse versteckte neun in seiner Unterwäsche und
wickelte die übrigen dreißig gewissenhaft in seine
Schärpe ein.
    Sie waren reich. Ein gutes Pferd brachte sechs bis sieben silberne
Kaisermünzen, zumindest in Freistatt. Fünf Pferde und der
Gegenwert von zwanzig oder mehr, behauptete Hanse, bedeuteten
Reichtum.
    »Ganz gleich, wo wir auch hingehen«, sagte er,
»können wir von dem, was wir haben, lange Zeit leben, auch
wenn wir nichts tun, um mehr zu verdienen.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ich bin in guten
Händen«, sagte sie und lächelte, als eine dieser guten
Hände in ihr Mieder glitt. »Aber ich werde nicht einfach
nichts tun können, um mehr Geld dazuzuverdienen,
Hanse.«
    Hanse nahm sich einige Zeit, um diesen Worten einen Sinn zu
entnehmen und beschloß, sich nicht mit ihr darüber zu
streiten. »Es dauert nicht mehr lange, bis die Sonne
untergeht«, sagte er. »Wenn du nicht lieber in der Nacht
weiterreiten möchtest, können wir genausogut hier unser
Lager aufschlagen. Ich kann dann gleich noch ein paarmal
›HANSE‹ in den Lehm neben dem Fluß
schreiben.«
    »Gut!« rief sie und umarmte ihn. »Das ist eine
ausgezeichnete Gelegenheit. Laß uns den Rest unserer Sachen
ausziehen, und ich wasche sie. Sie werden bis zum Morgen getrocknet
sein.«
    Hanse rollte mit den Augen. »Du hast dich ganz schön
verändert«, murmelte er schließlich.
    Sie lächelte glücklich. »Ohhh… bring mich
nicht in Verlegenheit, Hanse. Wir hätten uns doch sowieso
ausgezogen, nicht wahr?«
     
    Sie erwachten hungrig und standen bei Sonnenaufgang auf. Er
bemerkte, daß Mignureal sichtlich befangen war, bis sie sich
ein paar Kleidungsstücke übergestreift hatte. Alle Sachen
waren sauber aber noch nicht völlig trocken. Hanse stellte fest,
daß sich seine Schärpe genau wie gestern anfühlte und
war erleichtert, als er in der Satteltasche eine Menge Münzen
vorfand. Sehr gut. Das beendete seine Furcht, was den Zauber betraf,
der über den Münzen lag.
    Doch schon bald entdeckte er, daß er sich geirrt hatte, und
das war mehr als nur erschreckend. Irgend etwas zwang ihn, die
Silbermünzen in der Tasche zu zählen. Und dann sah er sich
natürlich genötigt, sie mit zusammengebissenen Zähnen
und finsterer Miene noch einmal zu zählen.
    Er hatte sich beim ersten Mal nicht getäuscht. Aus zwanzig
waren zweiundzwanzig geworden.
    Bevor sie daran denken konnten, ihren Weg fortzusetzen, entfaltete
Hanse eilig seine purpurrote Schärpe und stand abwartend da,
während Mignureal ihren Inhalt zählte. Zweimal. Sie hatte
sich beim ersten Mal nicht geirrt. Während der Nacht waren aus
dreißig Münzen neunundzwanzig geworden. Sie begann

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