Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Tejana hat mir das zugeworfen,
bevor er mit unseren Pferden davongaloppierte.« Er zuckte die
Achseln und streifte den Armreif von seinem Handgelenk. »Wir
besaßen nichts mehr, was sich zu holen gelohnt hätte. Er
sagte mir, ich sollte dieses Ding tragen. Er behauptete, wenn uns
andere Tejana aufhalten sollten, bräuchte ich es ihnen nur
zeigen, und sie würden dann wieder ihrer eigenen Wege
gehen.«
Während er ihm den Kupferarmreif entgegenhielt, runzelte er
die Stirn. »Er scheint nicht besonders gekennzeichnet zu sein,
und ich glaube, daß alle einen getragen haben. Er
nützt mir jetzt nichts mehr, aber du könntest ihn
vielleicht gebrauchen. Könnte dir einigen Ärger ersparen.
Du könntest behaupten, daß du vorher mehr Pferde, Geld
oder irgend etwas anderes gehabt hättest, und andere es dir
weggenommen und dir dafür das gegeben hätten. Andererseits
aber habe ich einen getötet, zwei zumindest verletzt und ihrem
Anführer das Bein halb abgehackt. Vielleicht solltest du
vorsichtig sein, nur für den Fall, daß man den Reif
irgendwie wiedererkennen kann.« Er hielt ihm den fast
geschlossenen Kupferreif hin. Mit der rechten Hand.
Der andere saß locker in seinem Sattel, die blauen Augen auf
Hanses fast schwarze gerichtet. Schließlich nickte er und
streckte die Hand nach dem Reif aus. Die linke Hand.
»Danke. Bist du dir sicher? Es ist sauberes Kupfer.«
Hanse hob die Schultern. »Ich trage kein Kupfer, und ich habe
nicht vor, diese Wüste noch einmal zu durchqueren. Ich
würde es auch nicht empfehlen.«
Der Mann streifte den Armreif über seinen Sattelknauf, der
die Form eines Schildkrötenkopfes hatte, und drückte ihn
zusammen, damit er festsaß. Er tat es mit einer Hand, und es
bereitete ihm sichtlich nicht die geringsten Schwierigkeiten. Er
berührte seine Stirn mit den Fingern. »Ich danke dir,
Wanderer.«
»Äh, Ha…« Im letzten Augenblick verschluckte
Mignureal Hanses Namen. »Wir brauchen die
Wüstengewänder jetzt nicht mehr…«
Der Schnurrbart des Fremden bewegte sich im Anflug eines
Lächelns. »Ich glaube nicht, daß sie mir passen
würden, kleines Mädchen. Außerdem habe ich ein helles
Gewand auf meinem Packpferd.« Plötzlich nickte er, als
hätte er eine Entscheidung getroffen. »Gute Leute«,
sagte er in diesem unglaublich ruhigen Tonfall. »Ich
schätze, ich werde jetzt doch an diesem Bach Rast
machen.«
Hanse legte den Kopf schief, dann begriff er. »Wir wagen es
nicht richtig, einander zu vertrauen, nicht wahr?«
Die mächtigen Schultern seines Gegenübers hoben sich.
»Ihr habt mir ein Geschenk gegeben. Jetzt müßt ihr
eins von mir annehmen.«
»Du solltest nicht einmal so was denken«, widersprach
Mignureal. »Du hast uns gute Informationen gegeben.«
»Du könntest mir sagen, ob es in Firaqa einen Kaufmann
oder einen Pferdehändler gibt, dem wir trauen können«,
schlug Hanse vor.
Der große Mann hatte die Hand schon lange von seinem Schwert
genommen, nun hob er sie in einer symbolischen Geste, während er
mit der anderen in den weiten Ausschnitt seiner Tunika griff. Hanse
verstand die Geste. Deshalb versuchte er nicht zu zeigen, daß
sich sein Körper spannte, bereit, ein Wurfmesser zu ziehen und
zu schleudern.
»Ihr könntet vielleicht in der Grünen Gans Halt
machen«, sagte der andere, »und – vertraulich –
nach Anorislas fragen. Sagt ihm, ein Mann hätte euch geraten,
ihn Häschen zu nennen. Ich werdet feststellen, daß er euch
dann gar nicht betrügen kann.« Er richtete den Blick seiner
blauen Augen auf Mignureal. »Und zeig ihm dies.«
»Ich… ich kann das nicht annehmen!« protestierte
Mignureal und betrachtete das Medaillon oder Amulett, das er ihr
entgegenhielt. Es war dreieckig und aus den vielfarbigen Segmenten
eines Schildkrötenpanzers zusammengesetzt. Seine Ränder
schienen aus Gold zu sein. Es baumelte an einem Band aus
Rohleder.
»Du mußt«, beharrte er und hielt es ihr weiter
entgegen. »Wie könntest du es Anorislas zeigen, wenn du es
nicht annimmst? Außerdem würdest du mich beschämen,
wenn du von mir kein Geschenk für das annehmen würdest, was
ihr mir aus freiem Willen gegeben habt. Das verlangt der Glaube
meines Volkes. Siehst du? Du mußt.« Einen Augenblick
später fügte er hinzu: »Ich verspreche euch, daß
es nichts enthält und sich nicht plötzlich öffnet. Und
ich bin auch kein Schwarzer Magier.«
»Aber…«
»Bitte. Willst du mich beschämen, nachdem ihr so
freundlich gewesen seid?«
Mignureal nahm das Medaillon entgegen.
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