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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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Jungen zu sehen. Der arme Hush war geradezu ausgehungert nach ein wenig Selbstwertgefühl, und dann ausgerechnet diese Art von Lob, mit dem Paul ihn bedachte.
    Nachdem Rillieux gegangen war, fragte sie Hush: »Erinnerst du dich daran, was ich dir beim letzten Mal gesagt hatte, als du hier warst? Darüber, etwas zu tun, was du gerne tun würdest, und nicht nur, was andere dir auftragen?«
    Er nickte.
    »Nun, es macht keinen wirklichen Unterschied, wenn jemand Älterer dir befiehlt zu stehlen. Es gibt ein altes Sprichwort: >Wer dem Teufel die Kerze hält, macht sich mitschuldige«
    »Tun wir das, Mystere? Ich und du - dem Teufel die Kerze halten?«
    »Ja. Und das Verbrechen allein ist noch nicht alles. Manchmal, wenn man alles gut erledigt, was andere einem auftragen, dann kann es sein, dass man seine Freiheit dabei aufgibt, indem man versucht, ihnen zu gefallen. Sie werden reich und mächtig durch dein Risiko und deine Fähigkeiten. Sie sind frei in ihren Entscheidungen, während du ihr Eigentum bist.«
    Hush, der solche Abstraktionen nur auf sein eigenes Leben bezogen verstehen konnte, sagte: »Meinst du damit ... dass ich für mich selbst stehlen sollte?«
    »Ich bin mir nicht sicher, was ich meine«, gab sie hilflos zu. Sie hatte Angst, durch ihren Versuch, die Moralvorstellungen des Jungen anzuheben, ihn womöglich mit Pauls Naturell in Konflikt zu bringen. Denn, wie nett Rillieux auch manchmal zu sein schien, so wusste sie doch, dass er zu enormer Grausamkeit fähig war, vor allem denjenigen gegenüber, die sich als illoyal erwiesen, nachdem er ihnen vertraut hatte.
    Insgeheim hatte sie jedoch eine ganz andere Antwort für Hush: Ja. Wenn du schon stehlen musst, dann tu es wenigstens für dich selbst und nicht für einen Meister. Harte Worte. Wenn sie Bram jemals finden wollte, so musste sie endlich aufhören, lediglich hart zu reden und stattdessen beginnen, auch hart zu sein.
    Solche Gedanken erinnerten sie unweigerlich daran, dass es nicht nur Paul war, wegen dem sie sich Sorgen machen musste. Da gab es außerdem noch Lorenzo Perkins. Sie spürte, wie ein neuerlicher Anfall von Kummer sie überkam. Wie konnte sie jemals ihren Bruder aufspüren, solange sie ausgerechnet dem Mann nicht vertrauen konnte, den sie engagiert hatte, ihn zu suchen? Trotzdem aber hatte sie nicht die Willensstärke, ihn ohne Beweise zu entlassen. Immerhin hatte er ja ein paar Informationsfetzen geliefert wie den Namen der Sir Francis Drake, dem Schiff, auf dem Bram einst fortgesegelt sein könnte.
    Sie beschloss, nun endlich das zu tun, worüber sie bisher lediglich nachgedacht hatte.
    »Hush?«
    »Was?«
    Sie nahm ihre Brieftasche heraus und entnahm ihr einen Fünfdollarschein. »Der gehört dir«, sagte sie zu ihm, »wenn du mir dafür einen Gefallen tust.«
    Er nahm den Schein und starrte sie an. »Jesus! Aber du brauchst mich doch nicht zu bezahlen, Mystere.«
    »Egal, nimm ihn, aber lass Paul ihn nicht sehen. Kennst du die Amos Street?«
    »Klar. Da ist die Ausgabestelle. Wo sie Medizin für umsonst an die Armen geben.«
    Sie nickte. »Auf der Amos Street Ecke Greenwich Street ist ein Drogeriegeschäft. Du kannst es an dem hölzernen Mörser mit Stößel draußen an der Kette erkennen. Dort in der Wohnung über dem Geschäft leben ein Mann und seine Frau. Der Mann ist groß und schlank, trägt immer einen ziemlich schäbigen Anzug mit Weste, und er hat einen albernen, gewachsten Schnurrbart, der wie aufgemalt aussieht. Ich muss etwas darüber wissen, wie er seine Zeit verbringt. Bist du bereit, ihm immer mal wieder zu folgen, ein paar Tage lang?«
    Hush grinste. »Das wird ein Spaß werden.«
    »Gut. Aber sei bloß vorsichtig. Lass ihn nicht merken, was los ist. Versprochen ?«
    Ein paar Minuten später brachte sie Hush zur Eingangstür und verweilte noch einen Moment lang in der Vorhalle, während ihre Gedanken wieder zum vorherigen Tag und zu Rafe Beiloch zurückkehrten.
    Welch ein Jammer, sagte sie zu sich selbst, dass ein so gut gebauter und attraktiver Mann mir so gefährlich werden kann. Sie hielt Rafe Belloch für einen nicht einschätzbaren Feind, und sie gelobte sich, ihm auf alle Fälle aus dem Weg zu gehen - ungeachtet ihrer Reaktion auf seine Berührung.
    Vielleicht befand sie sich ja doch im Irrtum, was sein Interesse an ihr betraf. Vielleicht war er auch nur hinreichend interessiert daran, grausam zu sein, mehr nicht. Das hoffte sie. Aber irgendetwas in ihrem Inneren zweifelte daran, dass er nur mit ihr spielte. Sie

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