Diebin der Nacht
ist sehr viel besser einen Mann zu töten und mit ihm fertig zu sein, als ihn zu beschämen und zur Rache zu zwingen.«
»Entweder, Sie sind vollkommen verrückt, oder Sie machen sich über mich lustig«, flüsterte sie zurück. »Ich bin mir nicht sicher was von beiden, aber ich warne Sie! Ich bin für diese Spielchen nicht zu haben; sie sind gefährlich, das sage ich Ihnen, gefährlich.«
»Sie sind es, die sich in Gefahr befindet, Mystere.« Seine Stimme wurde dunkel und voll. »Ich ertappe mich dabei, dass ich Sie haben will. Und ich bekomme immer, was ich haben will.«
Am liebsten hätte sie ihren Kopf in ihre Hände gelegt und geweint. Stattdessen wendete sie sich nur stöhnend von ihm ab. »Dann sind Sie ein Narr«, sagte sie zu ihm, während sie die ganze Zeit über an Rillieux und seinen mörderischen Plan denken musste.
»Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich noch nie in meinem Leben für eine Frau zum Narren gemacht habe, aber andererseits habe ich auch noch nie eine Frau wie Sie kennen gelernt, Lady Moonlight. Sie rauben den Frauen die Juwelen und den Männern den Verstand.«
Ein Schluchzer blieb ihr in der Kehle stecken. Unfähig zu sprechen, legte sie die Finger auf ihren Mund, der noch von seinem Kuss brannte. Seine bedrohliche Gegenwart hinderte sie daran, die Oper zu genießen. Obwohl es eine spektakuläre Produktion war, Gesang, Kostüme, Bühnenbilder und Beleuchtung überwältigend, fühlte sie sich doch durch ihre Situation so unbehaglich, dass sie es nicht genießen konnte. In ihrem Innern wütete eine Flut von Gefühlen.
Während der Pause blieb Rafe ihr wie ein Schatten auf den Fersen, als wollte er sie herausforde rn , direkt in seiner Nähe etwas zu stehlen. Sie überlegte gerade, ob sie nicht vielleicht genau das tun sollte, als Carrie Astor sich einen Weg durch das überfüllte Foyer bahnte, um sich zu ihnen zu gesellen.
»Gefällt Ihnen die Vorstellung?«, begrüßte sie sie.
Mystere, die damit beschäftigt war, Sylvia Rohr und ihre Brosche ausfindig zu machen, antwortete zerstreut: »Ja, es ist wundervoll. Vor allem der Tenor gefällt mir.«
»Ist das wahr?«, verspottete Rafe sie. »Nun, ich habe im letzten Sommer Colonel Codys neue Wild-West-Schau gesehen, und diese Produktion heute Abend ist sehr ähnlich. Ein großes Spektakel. Was noch fehlte, wären ein paar Wilde mit Kriegsgeschrei.«
Seine Augen verengten sich vielsagend. »Obwohl das eigentlich gar nicht so schlecht wäre - ein paar Indianer würden sich mit Sicherheit als unterhaltsam erweisen«, endete er nachdrücklich, indirekt Mystere anklagend.
Sie konnte ein plötzliches Erröten nicht verhindern, denn er ließ sie wissen, dass er verstanden hatte, was sie im Schilde führte. Er lachte sie an, die arme Carrie schien verwirrt.
»Meine Mutter bat mich, Sie daran zu erinnern«, sagte sie, kurz bevor sie wieder ging, »dass sie ein spätes Abendessen und Cocktails in unserem Hause ausrichten wird.«
»Oh, wir werden beide dort sein«, versicherte Rafe ihr. Er erhebt bewusst seine Stimme, dachte Mystere, damit einer der Klatschkolumnisten es ebenfalls hören kann.
Da Rafe sie wie ein Gefängniswärter beobachtete, hatte sie keine Gelegenheit, sich Sylvia zu nähern. Und inzwischen hatte seine ständige Wachsamkeit ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Kurz bevor das Licht gedämpft wurde, um das Ende der Pause zu signalisieren, traf Inspektor Bymes’ Blick den ihren.
Seine Augen streiften sie nur kurz und bewegten sich sofort wieder weiter, trotzdem aber berührten eisige Finger ihr Herz. Plötzlich schienen alle sie aus verschlagenen, misstrauischen Augen anzusehen. Und Rafes Worte hallten drohend in ihren Gedanken wider: Die Post geht inzwischen schon recht schnell den Mississippi rauf und runter.
Wenn auch all dies auf ihren Gedanken lastete, so bemerkte Mystere schließlich doch, dass sie für einen Augenblick von dem Drama, das sich unter ihr auf der Bühne abspielte, mitgerissen wurde - vor allem von der Musik des schwungvollen Toreroliedes.
Das mächtige Schlagen der Kesselpauken, das klagende Weinen der Violinen, und plötzlich sah sie sich wieder zusammen mit Rafe auf den mondbeschienenen Hudson zutanzen. Sein fordernder Kuss brannte erneut auf ihren Lippen. Und wieder überkam sie dieses seltsame Gefühl, das die ganze Zeit über verschwunden war; es gab nur noch diese vibrierende Freude in ihr, ihr Herz pulsierte wild ich will, ich will. Dieses Gefühl, dass auch ihr eigenes Leben ein
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