Diebin der Nacht
Nacht, gebe ich zu, bin ich mir da nicht so sicher. Ich habe noch nie zuvor eine Frau entführt. Andererseits habe ich aber auch nur sehr wenige Frauen kennen gelernt, denen es gelungen ist, mich zu berauben - und das gleich zweimal.«
Er richtete sich auf, ging zum nächstgelegenen Fenster hinüber und ließ sich auf der Bank davor nieder, während er sie mit der Intensität eines unglücklich Liebenden beobachtete.
»Sie können den Ring haben, wenn Sie mich dafür gehen lassen«, bot sie ihm mit stolzem und herausforderndem Gesicht an, die Augen dunkel vor unbeschreiblicher Traurigkeit.
»Sie waren es, die mich in Five Points ausgeraubt hat. War das eine Art Übung für die größeren Diebstähle, die dann folgten?«
Todunglücklich holte sie tief Luft und beichtete: »Es war schamlos, wie ich mich in jener Nacht benommen habe. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, Sie jemals wiederzusehen.«
Provokativ brachte er hervor: »>Ich werde wohl nie aufhören, es mir vorzustellen, Mr. Belloch.<«
Hitze stieg ihr ins Gesicht. »Wenn es keinen anderen Weg gibt, Sie zu beschwichtigen, als mich die gleiche Demütigung erleiden zu lassen, dann muss es wohl so sein. Wenn Sie mich danach nur gehen lassen.« Schnell wischte sie die Tränen weg, die an ihren Wimpern hingen. Trotzig stand sie da, streifte ihr Satinkleid von den Schultern und ließ es hinuntergleiten auf den kostbaren Teppich. Lediglich ein hauchdünnes rosafarbenes Seidenhemd und eine spitzenbesetzte Unterhose trennten sie von völliger Nacktheit.
Rafe nickte. Seine nächste Bemerkung bewies, dass er ein gnadenlos gutes Gedächtnis für Details hatte: »>Der Auftakt war in der Tat schon sehr erfreulich, enttäuschen Sie mich nun nicht.<«
Erneut wurde sie durch ihre eigenen Worte geschlagen, die sie in jener schmachvollen Nacht in der Gasse an ihn gerichtet hatte. Sie hasste ihn, er hatte jedoch lediglich die grausame Wahrheit ausgesprochen, als er sagte: Ich zahle mit gleicher Münze heim.
Ihre Scham und ihr Zögern waren deutlich sichtbar. Sie wollte sich mit ihren Händen bedecken und aus dem Raum fliehen. Das hauchdünne Unterhemd überließ nichts der Fantasie. Sie konnte ihre harten Brustwarzen durch die blass- rosa Seide sehen. Ihre schweren Brüste straften jeden Anspruch auf kindliche Unschuld Lügen. Sie war eine Frau.
»Leugnen Sie es noch immer?«, flüsterte er, sein Blick verschleiert von dunkler Begierde, als er auf ihre Brust schaute.
»Ich war es, die Sie beraubt hat«, beichtete sie, wobei jedoch weder ihr Gesicht noch ihr Tonfall irgendein Anzeichen von Reue verrieten.
»Sie verführerischer kleiner Teufel«, sagte er, und sein Blick zog endlich den ihren auf sich. »Unsere flachbrüstige Debütantin erweist sich schließlich als eine begehrenswerte Frau. Fahren Sie also fort. Ich schwöre, dass ich nicht aufhören werde, bis ich befriedigt bin.«
Die Zweideutigkeit seines letzten Satzes jagte ihr fürchterliche Angst ein, gleichzeitig brannte trotziger Zorn in ihr.
»Sie haben Entschädigung genug bekommen. Und nun fahren Sie zur Hölle, Rafe Belloch!« Sie wandte sich von ihm ab und bedeckte ihre Brust mit ihren gekreuzten Armen. »Ich bin eine Diebin, keine Prostituierte«, informierte sie ihn mit kalter, entschlossener Präzision. »Wenn Sie mich nackt haben wollen, müssen Sie mich zuerst erschießen. Da Sie aber darüber hinaus Vorhaben, mich zu vergewaltigen, ziehe ich auf jeden Fall die Kugel vor.«
»Sie schamlose Heuchlerin. Diese ganze >noble Tugend< hier - wo bleibt die denn, wenn Sie rauben und stehlen, wenn Ihr ganzes Leben eine einzige Lüge ist?«
Ihre schmalen Schultern zitterten vor Angst und Erschöpfung, ihr Gesicht jedoch schien Überlegenheit und Stärke auszudrücken. »Mein Leben ist keine Lüge. Ich weiß sehr gut, was ich bin«, sagte sie, ihre innersten Gedanken durch die Rechtschaffenheit dieser Worte offen legend. »Ihr seid es vielmehr, die >oberen Vierhundert, die lügen. Ihr tut so, als gäbe es keine gewöhnliche Armut, keine verhungernden Kinder. Ich bin genau wie viele andere ein Produkt der Hungersnot in Irland. Scon im Alter von acht Jahren musste ich mich allein in den Straßen New
Yorks durchschlagen. Rillieux rettete mich vor dem Tode und der Prostitution. Tief in seinem Herzen ist er ein schlechter Mensch, aber dafür, dass er mich gerettet hat, stehe ich für den Rest meines Lebens in seiner Schuld. Und ob Sie es glauben oder nicht, Rafe Belloch, ich zahle meine Schulden
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