Diener des Boesen
brüllte die Menge los – der Priester hatte mitten in ein Wespennest gestochen.
»Und wie steht es mit euren Fürsten? Leben sie nicht ebenfalls in Saus und Braus, während ihr in der Erde wühlt? Erheben sie nicht so hohe Steuern, dass ihr kaum noch eure Kinder ernähren könnt, um damit ihre reizenden Turniere und Kriege zu bezahlen?«
Der Rand der Menschenmenge geriet in Bewegung, und der Geistliche sah, weshalb. Berittene Soldaten.
»Wer trägt in dieser unglücklichen, leidvollen Welt das Gesicht des Heilands? Nicht die feisten Pfaffen, nein! Und auch nicht die raffgierigen Fürsten. Ihr tragt das Gesicht des Heilands, meine Freunde. Jeder Einzelne von euch, durch eure harte Arbeit und eure Armut!«
Die Soldaten waren schon nahe bei ihm, und das Gesicht des Priesters glänzte vor Schweiß. Nicht weil er sich davor fürchtete, gefangen genommen zu werden – damit rechnete er schon lange –, sondern weil er der Menge noch so viel wie möglich sagen wollte, ehe die Soldaten ihn erreicht hatten.
»Die Besitztümer der Kirche und der Fürsten gehören euch, dem Antlitz Christi auf Erden! Nicht den Bischöfen und Herzögen, denen Seide wichtiger ist als die verhärmten Gesichter eurer Kinder!«
Die Menschen begannen durcheinanderzurufen, manche, um ihrer Zustimmung zu den Worten des Priesters Ausdruck zu verleihen, andere, um den herannahenden Soldaten ihre Wut entgegenzuschreien.
»Mein Name ist John Ball«, rief der Priester nun an die Soldaten gewandt, die nur noch wenige Schritte von ihm entfernt waren. »John Ball! Ich fürchte mich nicht vor den sündigen und skrupellosen Fürsten und Bischöfen! Mein Name ist John Ball, und ich bin die Stimme des Volkes und des Heilands, der um sein Volk trauert!«
Lautes Gebrüll ertönte, und die Soldaten preschten vor, packten John Ball am Kragen seines Gewandes und zerrten ihn zappelnd und schreiend auf eines ihrer Pferde hoch.
Einer der Soldaten ritt zur Kirchentür und riss den Handzettel ab.
»Lasst ihn los! Lasst ihn los!«, schrie die Menge, und die zwanzig Soldaten mussten mit ihren Schwertern um sich schlagen und ihre Pferde vorantreiben, um sich den Weg freizukämpfen.
»Es sind die Männer des Erzbischofs von Canterbury!«, rief jemand in der Menge, und die anderen schrien und stießen und schlugen nach den Soldaten. »Der Erzbischof von Canterbury möge verflucht sein! Verflucht!«
John Ball, der von einem der Soldaten auf dem Sattel festgehalten wurde, hob den Kopf und rief der Menge eine letzte aufsässige Botschaft zu: »Als Adam pflügte und Eva spann, wer war da der Edelmann?«
Schließlich hatten sich die Soldaten einen Weg durch die Menge gebahnt, trieben ihre Pferde zum Galopp an und ließen die aufgebrachten Menschen hinter sich, während diese die Handzettel an diejenigen von ihnen weiterreichten, die sie lesen konnten.
»Hast du davon gewusst?«, fragte Lancaster und schleuderte einen der Handzettel vor Bolingbroke auf den Tisch.
»Mein Lord«, sagte Bolingbroke, hielt dann inne und fasste den Handzettel so vorsichtig an, als handele es sich um Schießpulver.
Lancasters wütender Blick richtete sich auf Neville, der direkt hinter Bolingbroke stand. Die beiden Männer waren vor wenigen Minuten zu Lancaster gerufen worden und hatten noch nicht einmal Zeit gefunden, Platz zu nehmen.
»Mein Lord«, sagte Bolingbroke noch einmal. »Ich habe gewusst, dass Meister Wycliffe mit mehreren seiner Männer in Kent ist…«
»Und du hast mir nichts davon gesagt? Gütiger Himmel, Hal, warum nicht? Warum hast du nichts gegen sie unternommen? Glaubst du, es freut mich, wenn Männer aus meinem Haus an solchen aufrührerischen Aktivitäten beteiligt sind? Diesmal ist Wycliffe zu weit gegangen.«
Neville wusste, dass er Lancasters Zorn auf sich ziehen würde, weil er ihm nichts von Wycliffes Besuch in Halstow Hall gesagt hatte, doch im Augenblick fühlte er sich nur erleichtert. Lancaster hatte endlich erkannt, dass es gefährlich war, den Dämon Wycliffe zu unterstützen, und würde nun vielleicht die nötigen Schritte unternehmen, um ihm das Handwerk zu legen.
»Ich habe es selbst erst vor ein paar Tagen erfahren«, sagte Bolingbroke. »Ich wollte noch mehr darüber herausfinden, ehe ich dich davon in Kenntnis setze.«
»Mein Lord«, sagte Neville. »Das ist ganz allein meine Schuld und nicht Lord Herefords. An dem Tag, bevor Salisbury nach Halstow Hall kam, um mich zurück nach London zu holen, habe ich Besuch von Wycliffe erhalten, in
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