Dienstags ist sie nie da - Roman
Parade , da bin ich mir sicher!«
Der Gerechtigkeit halber ist zu sagen, dass sie den Tanz bis zum letzten Refrain durchzogen, bei dem Charlene dann allerdings aus dem Takt geriet. Die kleinen Kinder im Saal hatten offenbar gedacht, dass die ganze Singerei und die Tanznummer zu ihrer Unterhaltung gedacht waren, und deshalb hatten sie sich in einer Reihe vor die Mädchen gestellt und versuchten, jede Bewegung nachzumachen. Aber das war es nicht, was Charlene aus dem Konzept brachte. Es war Scott – wer sonst? –, der sich zwei Luftballons und ein Kissen vorne ins Hemd gestopft hatte. Aus dem Ausschnitt quollen eine rote und eine blaue »Brust«, unten baumelte munter eine goldene Quaste hervor. Er stand direkt hinter Charlene und ahmte jede ihrer Bewegungen nach. Wie seine Schwester blieb auch er immer wieder stehen, um sich an den Rücken zu greifen und schmerzvoll das Gesicht zu verziehen. Er benahm sich absolut wie das hochschwangere Mädchen.
Charlene bemerkte schließlich, dass die Leute über irgendetwas hinter ihrem Rücken lachten, und sie wirbelte herum, so dass sie Scott voll in Fahrt erwischte.
»Mum, schaff Scott hier weg!«, heulte sie. »Warum muss er alles versauen? Das ist nicht fair. Muuuuuuum, sofort.«
Charlenes Mutter erschien wie aus dem Nichts, packte ihren Sohn am Ohr und zog ihn davon.
Es dauerte nur einen Augenblick, und Charlene kehrte zum Programm zurück, als wäre nichts gewesen.
»Welch eine Begabung, welch eine Begabung!«, rief Daniel, als er bei der letzten Liedzeile aufsprang, um die stehenden Ovationen anzuführen. »Genial, einfach genial!«
»Sie ist ein ziemlicher Feger, deine Frau«, sagte Ben. Er hing mit Luke, der versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu benehmen, an der Bar herum.
»Das kannst du laut sagen«, murmelte er.
»Was halten deine Eltern von ihr?«, fragte Ben bemüht, nicht auf Charlenes superkurzen Rock zu starren, der auf und ab wippte und dabei jede Menge Unterwäsche sehen ließ.
»Mir egal.«
»Wo sind sie? Ich habe sie noch gar nicht gesehen.«
»Nach Hause gegangen.«
»Verstehe.«
Ben nahm einen weiteren langen Zug von seinem extrastarken Bier – das dritte Glas, das er, seit er gekommen war, bereits gekippt hatte.
»Also Luke, kommst du eigentlich klar mit diesem ganzen Heirats- und Babykram?«, fragte Ben.
»Jep.«
»Gelähmt vor Angst, stimmt’s? Mir musst du das nicht erzählen, ich kann es dir nachempfinden, Luke. Junge, Junge, ich kann das nachempfinden«, sagte Ben und schüttelte den Kopf, bevor er sein Glas leerte. »Ich meine, wir sind zwei junge Männer in der Blüte unseres Lebens, stimmt’s? Unser ganzes Leben liegt noch vor uns. Wir könnten alles machen, überall hingehen, alles werden – und schau uns jetzt mal an. Den einen Moment hast du noch gedacht, mit ein bisschen mehr Übung könntest du es zum Profifußballer bringen – und im nächsten Moment sind alle Möglichkeiten dahin, weil dir jemand erzählt, dass man dir gerade die nächsten achtzehn Jahre deines Lebens unter der Nase weggeklaut hat. Einfach so. Mann, ich bin ganz auf deiner Seite. Wir sitzen
im gleichen Boot, Luke. Wir stecken beide bis zur Halskrause drin, Kumpel, du und ich«, sagte Ben, legte einen Arm um Lukes Schulter und griff sich das nächste Bier.
»Und noch etwas«, fuhr Ben fort, wobei er das halbe Bier verschüttete, als er mit dem Glas in der Luft herumfuchtelte.
»Du wirst mir bei dieser Sache sicher zustimmen. Also: Du kriegst ein Baby, okay, und plötzlich sollen die Mutter und du heiraten und für immer zusammenbleiben, einfach so. Ich sag dir was, ich ziehe meinen Hut vor dir, Kumpel. Ich bin noch jung, aber du bist fast noch ein Kind. Ich weiß, dass ich das nicht sagen sollte, aber ich kann nicht glauben, dass du das durchziehst, Kumpel. Ich kann es einfach nicht glauben.«
Luke starrte zu Boden und begann, gegen die Wand zu treten.
»Pass auf, mich kannst du einweihen, sozusagen von Mann zu Mann«, sagte Ben und beugte sich vor, weil er Luke dazu bringen wollte, ihn anzusehen. »Willst du das denn allen Ernstes?«
Luke trat besonders hart gegen die Wand, dann hob er seinen Kopf und sah, wahrscheinlich zum allerersten Mal überhaupt, Ben in die Augen.
»Ja, das will ich«, antwortete er ruhig. »Weil mein Vater ein Scheißkerl ist. Er kann mich nicht ausstehen. Nur weil ich nicht so bin wie er, denkt er, dass ich überhaupt nichts auf die Reihe kriege. Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Und das ist doch nicht der
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