Dienstanweisungen für einen Unterteufel
denn, so müssen wir es vergiften! Zweifellos hast Du es schon öfters auf dem Exerzierplatz geübt, Dich in einen Engel des Lichtes zu verwandeln. Nun ist die Zeit gekommen, dasselbe im Angesicht des Feindes zu tun. Die Welt und das Fleisch haben uns enttäuscht; eine dritte Macht bleibt noch. Auf diesem dritten Weg zum Erfolg zu gelangen ist das Herrlichste, was es geben kann. Ein gefallener Heiliger, ein Pharisäer, ein Inquisitor oder ein Hexenkünstler geben in der Hölle zu viel mehr Spaß Anlaß als ein gewöhnlicher Tyrann oder Wüstling.
Wenn ich mir die neuen Freunde Deines Patienten ansehe, so finde ich, daß der geeignetste Angriffspunkt das Grenzgebiet zwischen Theologie und Politik sein dürfte. Einige seiner neuen Freunde beschäftigen sich sehr intensiv mit den sozialen Forderungen ihrer Religion. An und für sich ist das eine ganz böse Sache, doch kann sie zum Guten gewendet werden.
Du wirst sehen, daß viele christlich-politische Schriftsteller der Auffassung sind, mit dem Christentum sei es schon sehr früh abwärtsgegangen, und es sei schon früh von der Lehre seines Gründers abgewichen. Von dieser Ansicht müssen wir Gebrauch machen, um den Begriff des „historischen Jesus“ wieder einmal zu unterstützen, der dadurch gefunden wird, daß man spätere „Zutaten und Fälschungen“ beseitigt und den so gefundenen Jesus der ganzen christlichen Tradition gegenüberstellt. In der letzten Generation förderten wir den Begriff eines „historischen Jesus“ auf liberal-humanitärer Basis. Heute stellen wir einen neuen „historischen Jesus“ mit marxistischen, katastrophischen und revolutionären Zügen heraus. Die Konstruktionen, die wir etwa alle dreißig Jahre zu ändern beabsichtigen, bieten vielfältige Vorteile. Vor allem sind sie dazu angetan, die Verehrung der Menschen auf etwas zu lenken, das überhaupt nicht besteht, denn jeder „historische Jesus“ ist unhistorisch. Die Urkunden sagen, was sie sagen, da kann nichts hinzugefügt werden. Also muß jeder neue „historische Jesus“ aus ihnen dadurch herausgeholt werden, daß man in einem Punkt etwas unterschlägt, in einem andern etwas übertreibt und eine Art (von den Menschen unter unserm Einfluß gern „glänzend“^ genannter) Spekulation anwendet, auf die im gewöhnlichen Leben keiner zehn Franken wagen würde, die jedoch genügt, um im Herbstkatalog eines jeden Verlagshauses eine reiche Ernte neuer Napoleon-, neuer Shakespeare- und neuer Swiftliteratur auftauchen zu lassen. Ferner liegt bei all diesen Konstruktionen die Bedeutung des „historischen Jesus“ in einer besonderen Theorie, die Er verkündet haben soll. Er muß unbedingt ein „großer Mensch“ im modernsten Sinne des Wortes sein – das Endglied einer vom Wesentlichen abführenden, unausgegorenen Ideenentwicklung –, ein Scharlatan, der ein Allheilmittel feilbietet. Dadurch lenken wir die Menschen ab von dem, was Er ist und was Er getan hat. Wir machen Ihn zuerst zu einem bloßen Lehrer und verheimlichen dann die sehr wesentliche Übereinstimmung zwischen Seiner Lehre und den Lehren aller andern großen Sittenlehrer. Denn die Menschen dürfen auf keinen Fall merken, daß die großen Sittenlehrer nicht vom Feinde gesandt sind, um sie zu belehren, sondern um sie zu erinnern und ihnen entgegen unsern fortwährenden Ablenkungsversuchen die grundlegenden, sittlichen Plattheiten neu zu formulieren. Wir scharfen die Sophisten: Er aber stellt einen Sokrates, um diesen Sophisten zu antworten.
Unser drittes Ziel ist, ihnen auf dem Wege über diese Konstruktionen ihr Gebetsleben zu zerstören. An die Stelle der wirklichen Gegenwart des Feindes, die sonst vom Menschen im Gebet und im Empfang der Sakramente erfahren wird, setzen wir eine bloß mögliche, weit entfernte schattenhafte und ungeschlachte Gestalt, die in einer fremden Sprache sprach und vor Jahrhunderten schon gestorben ist. Solch ein Wesen kann tatsächlich nicht Gegenstand der Verehrung sein. An Stelle des von seinen Geschöpfen angebeteten Schöpfers hast Du bald einen bloß von einem Parteigänger beklatschten Führer, und schließlich bloß noch einen von irgendeinem klugen Historiker anerkannten vorzüglichen Charakter.
Viertens ist diese Art Religion, ganz abgesehen davon, daß der von ihr gezeichnete Jesus unhistorisch ist, vor der Geschichte noch in weiterem Sinne unrichtig. Kein einziges Volk und nur wenige Einzelmenschen sind durch das geschichtswissenschaftliche Studium einer Jesusbiographie als
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