Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Biographie ins Lager des Feindes gelangt. Tatsächlich ist den Menschen der Stoff zu einer lückenlosen Lebensgeschichte überhaupt vorenthalten geblieben. Die ersten Anhänger wurden auf Grund einer einzigen historischen Tatsache (der Auferstehung) und eines einzigen theologischen Lehrsatzes (der Erlösung) bekehrt, der ein schon in ihnen vorhandenes Sündenbewußtsein ansprach, nicht einer Sünde gegen irgendein neues Machwerk von Gesetz, das ein großer Mensch als etwas ganz Neues aufgestellt hatte, sondern gegen das alte, gemeinplätzige, allgemeingültige Sittengesetz, das sie ihre Ammen und Mütter gelehrt hatten. Die „Evangelien“ kamen erst später und wurden nicht geschrieben, um Christen zu machen, sondern um solche, die schon Christen waren, zu erbauen.
Der „historische Jesus“, wie gefährlich er uns auch in gewissen Beziehungen zu sein scheint, soll daher stets gefördert werden. Was nun den allgemeinen Zusammenhang zwischen Christentum und Politik anbelangt, ist unsere Lage heikler. Natürlich können wir unter keinen Umständen zulassen, daß sich ihr Christentum in ihrem politischen Leben auswirkt, denn die Entstehung von etwas, das einer gerechten sozialen Ordnung gleichkäme, wäre eine regelrechte Katastrophe. Anderseits jedoch ist uns sehr daran gelegen, daß die Menschen das Christentum als Mittel gebrauchen, vorzüglich als Mittel zur Förderung ihrer eigenen Interessen; doch wenn dies fehlschlagen sollte, als Mittel zur Erreichung irgendeines Zweckes sonst – wenn es sein muß, selbst zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit. Es gilt also, einen Menschen die soziale Gerechtigkeit schätzen zu lassen als etwas, was der Feind verlangt, ihn dann aber weiterzubearbeiten bis zu dem Punkte, wo er das Christentum schätzt, weil es vielleicht soziale Gerechtigkeit schafft. Denn der Feind läßt sich nicht nach Gutdünken gebrauchen. Menschen oder Völker, die meinen, sie könnten den Glauben erneuern, um dadurch eine bessere menschliche Gesellschaft zu scharfen, können sich geradesogut vorstellen, sie seien imstande, die Himmelsleiter als Abkürzung zur nächsten Apotheke zu benützen. Glücklicherweise ist es sehr leicht, die Menschen um diese kleine Ecke zu locken. Erst heute fand ich eine Stelle im Buche eines christlichen Schriftstellers, wo er seine eigene Auffassung vom Christentum empfiehlt mit der Begründung, daß „nur ein solcher Glaube den Tod alter Kulturen und die Geburt neuer Zivilisationen überdauern könne“. Siehst Du die ganz kleine Einbruchsmöglichkeit? „Glaube das, nicht etwa weil es wahr ist, sondern aus irgendeinem andern Grunde.“ So geht das Spiel.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XXIV
Mein lieber Wormwood,
Ich habe mich schriftlich mit Slumtrimpet, der die Aufsicht über das Mädchen Deines Patienten führt, in Verbindung gesetzt und bin der schwachen Stelle in ihrem Panzer auf die Spur gekommen. Es ist eine kleine, unscheinbare Untugend, die sie mit fast allen Frauen teilt, die im Kreise intelligenter, durch einen klar umrissenen Glauben miteinander verbundener Menschen aufgewachsen sind. Sie besteht in der ganz unbekümmerten Annahme, daß alle Außenstehenden, die diesen Glauben nicht teilen, wirklich zu einfältig und lächerlich sind. Die Männer, die mit diesen Außenstehenden regelmäßig zu verkehren haben, teilen diese Ansicht nicht. Ihre Zuversicht, wenn sie überhaupt eine besitzen, ist anders geartet. Die des Mädchens, die es seinem Glauben zuschreiben zu dürfen wähnt, entspringt in Wirklichkeit nur der Färbung, die es von seiner Umgebung angenommen hat. Sie ist tatsächlich nicht weit von der Überzeugung einer Zehnjährigen entfernt, daß zum Beispiel die Fischmesser, die im Hause ihrer Eltern gebraucht werden, die einzig richtigen oder „echten“ sind, während diejenigen der Nachbarn „keine wirklich echten Fischmesser“ sein können. Nun ist allerdings das Element der Unwissenheit und der Naivität in dem allem so groß und dasjenige des geistigen Hochmutes so gering, daß wir wenig Hoffnung auf das Mädchen selbst setzen können. Doch hast Du schon darüber nachgedacht, wie es sich zur Beeinflussung Deines Patienten gebrauchen ließe?
Neulinge übertreiben immer. Einer, der gesellschaftlich hoch gekommen ist, benimmt sich unkultiviert, der junge Gelehrte ist pedantisch. In den Kreisen, in denen Dein Patient sich jetzt umtut, ist er ein Neuling. Hier begegnet er täglich christlichem Leben von einer Echtheit, wie er es sich
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