Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Laute von mir geben. Der Meister starrte in meinen Hintern, befingerte ausführlich meine Hoden, tastete wie ein Panzerknacker sacht und lautlos über meine eineinhalb Quadratmeter Haut. Wohl auf der Suche nach einer dubiosen Stelle, die Aufschluss geben könnte über die Fehlerquelle. Zuletzt wurde Blut abgezapft, nachmittags brachte ich meinen Urin und Stuhl vorbei.
D . überwies mich an den Kollegen Etienne H ., der einen »Doppler-Test« durchführen sollte. Um ganz sicher zu sein. Auch der Kollege war ein umsichtiger Herr, der mit einem Gel meinen Penis einrieb, sodann mit einer Art Bügeleisen über das Gel fuhr und gleichzeitig auf seinem Computerbildschirm die Innereien meines jetzt speckig glänzenden Geschlechtsteils inspizierte. Erfolglos, denn die Arterien waren weit offen, nichts hinderte das Blut, in die Schwellkörper zu rauschen. Warum es nicht rauschte, musste andere Gründe haben.
Ein deprimierendes Ergebnis: Mir fehlte nichts, ich hatte ein völlig normales Geschlecht, absolut nichts, was Aufsehen erregen könnte. Auch die Ergebnisse aus dem Labor verrieten keine Unregelmäßigkeit, auch die Menge vorhandenen Testosterons war in Ordnung. Ich schien unheilbar gesund. Als Häufchen Elend trabte ich davon.
Männerarzt D . ließ nichts aus. Beim nächsten Besuch redete er zuerst besänftigend auf mich ein, denn sein Vorschlag verbreitete umgehend Schrecken. Ich nickte schließlich und der Meister applizierte eine Spritze direkt in den Penis. Das Präparat sollte die innere Spannung lösen und auf chemische Weise eine Erektion provozieren. Ich schaute hin und konnte nicht fassen, was ich sah: eine spitze Nadel mitten im empfindsamsten Teil meines Körpers. Der Schmerz war nichts im Vergleich zu der Ungeheuerlichkeit, dass derlei Dinge menschenmöglich waren.
Aber das furchtbare Werkzeug wirkte. Erregt verließ ich die Praxis, in meinem Gepäck noch einen seltsamen Apparat, einen, so könnte man sagen, erotischen Fahrtenschreiber : eher unscheinbar, nicht größer als ein Walkman, bestückt mit Kabeln und Elektroden.
Wie angekündigt, klang nach eineinhalb Stunden die Erektion ab. Nachts klebte ich die Drähte an mein Glied und schaltete den schwarzen Kasten ein. Er registrierte nun die nächtlichen, dem Schläfer völlig unbewussten, Erektionen. Ob überhaupt und wenn ja, wie lang, wie fest, wie oft. So verkabelt lag ich drei Nächte.
Die Auswertung brachte keine Überraschung. Solide, saubere Werte, nichts Auffälliges. Somit waren Rückschlüsse auf ein physisches Gebrechen nicht möglich. Ein zweites Mal jagte der Sexologe eine Nadel in meinen Penis. Er behauptete, dass die spontan den Spritzen folgenden Erektionen mein Selbstvertrauen wiederherstellen würden, ich also bald – ohne chemische Nachhilfe – wieder Inhaber einer zuverlässigen Sexualität wäre.
Diesmal nutzte ich die Erregung und suchte umgehend nach einer Frau, die bereit war, mir (gegen einen Unkostenbeitrag) ihren Leib zur Verfügung zu stellen. Ich hatte knapp zwei Stunden Zeit. Unverzichtbar schien mir für das Testverfahren strikte Anonymität. Blamierte ich mich, dann eben vor jemandem, der mich nicht kannte und mich kein zweites Mal sehen würde. Der Gedanke an Celeste störte mich nicht, nicht wirklich. Ich unternahm das alles, um sie nicht zu verlieren. Ich hatte ein Problem und dieses Problem bestand auf einer radikalen Lösung.
Laetitia war höflich und professionell. Sie nahm mich hinauf in ihr Puffzimmer und ließ mich für zwanzig Minuten ihr Liebhaber sein. Die reichten, um zu wissen, dass ich noch immer imstande war, eine Frau zu beschlafen. Wenn auch mit Hilfe teurer und schmerzhaft verabreichter Zusatzmittel. Dennoch, dieses kleine Wunder schenkte mir ein heftiges Glücksgefühl. Ich Narr glaubte mich schon kuriert.
Neue Herausforderungen warteten. Jetzt musste ich lernen, mir selbst eine Ladung Icavex 10 MG in den dösigen Phallus zu injizieren. Ich konnte ja nicht vor jedem Geschlechtsverkehr beim Onkel Doktor vorbeirennen, um mich dopen zu lassen.
Das waren Augenblicke intensivster Not. Es begann schon in der Apotheke beim Herzeigen des Rezepts. Am peinsamsten, wenn eine Frau das Papier entgegennahm. Ein Blick genügte und sie wusste Bescheid: Ein lahmer Sack brauchte ein Mittelchen, um ihn hochzustemmen. Augenblicke, die mich an meine Kindheit erinnerten, an den Wunsch, in unerträglichen Situationen mit Hilfe einer Tarnkappe zu verschwinden. Aber es gab keine Tarnkappe. Auch jetzt nicht. Nur
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