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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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manchmal das heimliche Plätschern unserer Bewegungen im Wasser. Ich registrierte, dass ich fast bis zur Schmerzgrenze erregt war. Die schöne Nackte hatte sich inzwischen umgedreht und ihr Po und die Beine starrten mich – so bildete ich mir ein – erwartungsvoll an. Now or never .
    Linda muss meine Gedanken erraten haben, denn während ich ihr mit mühsam gezügelter Leidenschaft näherkam, sagte sie: »Tu’s nicht, du weißt doch, Neumond bringt Unglück.« Ich zuckte zurück, ich wusste gar nichts. »Wieso denn das? Wer zum Teufel sagt, dass Neumond Unglück bringt?« – »Albert sagt das, er hat das zweite Gesicht.«
    Ich kannte Albert, ich mochte ihn. Er war der Hausmeister der Familie, ein ruhiger Alter, der umsichtig für das Anwesen sorgte. Augenblicklich aber hasste ich den Mann. Ein Narr, das zweite Gesicht, Neumond und Unglück, nicht auszuhalten. Und in meinen Armen ein Kinderherz, das diesen Unfug tatsächlich ernst nahm.
    Ich war ungerecht, natürlich. Und sauer und lüstern. Aber ich hielt den Mund. Albert hatte gesprochen, basta. Ich disziplinierte mich. Ein Überredungsbeischlaf kam nicht in Frage. Und Neumond dauerte nicht ewig. Wir verließen den Pool und kleideten uns an. Zwei Uhr früh war es bereits und ich machte mich auf den Weg zu meiner Studentenbude. Ich zwang mich zur Konzentration, vergaß alles Gewesene und materialisierte im Kopf meine wasserfüßige Zimmerwirtin. Ich entspannte.
    Die Tage und Nächte vergingen. Und eines Nachts war wieder alles so, wie wir es uns die letzten Wochen über erhofft hatten. Der Alte jagte über ferne Autobahnen und Linda und ich – schier blöde vor Entsagung und Vorfreude – waren nun fest entschlossen, alles, wirklich alles, nachzuholen.
    »Komm«, hatte sie am Telefon gesagt, sonst nichts. Typisch Linda. Wir gingen zuviel ins Kino. Kaum, dass uns noch ein normaler Satz unterlief. Wir redeten in Filmdialogen, das intensivierte unsere Sprache und verschaffte uns eine gewisse Exklusivität. Und ich kam, nein, ich rannte.
    Ihr Zimmer lag im ersten Stock. Es war noch immer Sommer und die beiden Fenster standen weit offen. Ein paar Kerzen brannten und ohne zu zögern kroch ich zu ihr unter die Decke. Gierig und zart beschmusten wir unsere hungrigen Körper. Und irgendwann sagte sie zum zweiten Mal in dieser Nacht: »Komm«. Und diesmal war es ganz anders gemeint.
    Dann ging alles rasend schnell. Vom Gartentor herauf zog ein kurzer, quietschender Ton, anschließend das Geräusch eines näherkommenden Fahrzeugs. Mein Gott, der Alte! Er hatte uns hereingelegt, hatte geblufft, von Terminen in Frankfurt und Hamburg keine Rede. Jetzt war er da, um uns die Lust aus dem Leib zu prügeln. Unsere fiebrig seligen Gesichter wurden zu Fratzen. Was für ein widerliches Gefühl, eine innig umschlungene Frau in panischer Angst loszulassen.
    Keine Gedanken mehr, nur noch Reflexe. Flucht. Vielleicht hatten wir eine Chance, wenn ich unbemerkt verschwand, das hieße durchs Fenster. Ich fetzte in die Hose und – sprang. Knapp drei Meter tiefer landete ich auf dem gepflegten englischen Rasen. Linda wusste, was sie jetzt zu tun hatte: Spuren verwischen, ein Päckchen o.b. auf das Nachtkästchen stellen und ein Buch zur Hand nehmen. So hatten wir das mehrmals durchgesprochen und auf das Mädchen war Verlass.
    Inzwischen hatte ich das Hemd übergezogen, stopfte die Mokassins in die Hosentaschen und schlich barfuß um beide Ecken zur Vorderseite, zum Haupteingang. Nichts, kein Mensch. Mein Herz keuchte vor Aufregung. Rüber zur Garage, wieder nichts. Stockfinster. Der Alte konnte unmöglich schon im Haus sein. Seit den ersten Verdachtsgeräuschen waren vielleicht eineinhalb Minuten vergangen und der Weg vom Tor bis zur Garage war weit.
    »Ja, der Herr Andreas, was machen Sie denn hier so spät in der Nacht?« Zuerst Herzstillstand. Dann das Wiedererkennen von Alberts Stimme. Als ich herumfuhr, begriff ich sofort: Neben Albert stand sein Fahrrad, Albert, der Radfahrer, die Garage, darüber seine Wohnung, das Quietschen, das Knirschen auf dem Kiesweg, unsere Hysterie, die zwischen einem bedrohlichen Sechszylinder und einem harmlosen Radfahrer nicht mehr unterscheiden konnte. Alles so klar, so easy, so harmlos.
    Ich kann mich nicht erinnern, was ich geantwortet habe. Wohl irgendwie herumgestottert von wegen Spazierengehen an der frischen Luft bei den alten Kiefern. Mir flossen die Salzperlen übers Gesicht, der kalte Schweiß einer eingebildeten Gefahr schimmerte auf meiner

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