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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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an die Grundregeln des Anstands. Hat Orwell recht, dann in diesem Land.
    Ich zeigte den beiden die Rechnung und drohte für den Wiederholungsfall mit Prügel. Mit viel Hirn waren die beiden nicht verwöhnt, aber das verstanden sie. Wortlos trollten sie davon, ohne ein Wort der Entschuldigung. Ich verschloss die Tür, drehte das Licht aus und klebte die gestrige Zeitung auf das Glas. Gut, dass ich nie ohne Tesafilm reise.
    Noch immer strahlte der Mond, noch immer quakten die Frösche. Vergeblich, still lagen Tara und ich nebeneinander, nicht ein Funken Sehnsucht regte sich noch in unseren Körpern. Irgendwann schliefen wir ein. Erst im Morgengrauen fiel uns wieder ein, warum wir in einem Doppelbett lagen. Wir kicherten, behutsam fingen wir zu flüstern an.

MAGDA
    »Jeder von uns macht den Mund auf und redet darüber«, so Norman Mailer, »und dann wird offensichtlich, wie wenig er davon versteht.« Der Meister meinte unser Gerede vom Sex. Das typische Männerprotzen. Die Auskenner beim Fachsimpeln. Die souveräne Ignoranz der Alleswisser. Mailers Behauptung klang wie ein Offenbarungseid. Er schrieb gerade an seiner Biographie über Marylin Monroe, als er sich zu dem giftigen Satz hinreißen ließ. Er ahnte wohl, dass die Göttin auf wunderbar wortlose Weise etwas wusste, was ihm entging. Um sich zu trösten, ließ er uns andere Männer auch nichts wissen. Vorsorglich benutzte er den pluralis modestiae: »Jeder von uns …« Wie treffend.
    Mailer und ich haben folglich zwei Dinge gemeinsam: Wir gehören zu den (wenig zahlreichen) Männern, die ihre Ahnungslosigkeit zugeben, und zählen zugleich zu den (überwältigend vielen) Männern, die nie Gelegenheit hatten, die Monroe kennenzulernen. Als Auserwählter Marilyns sozusagen, im Duftkreis ihres sagenhaften Körpers, der alles wusste, wonach Mailer und ich – und der Rest – so hungern.
    Immerhin gab es einen Unterschied zwischen Norman und mir. Zu meinen Gunsten. Der Unterschied hieß Magda. Hätte der amerikanische Schriftsteller von ihr erfahren, er hätte wieder zu hungern begonnen. Ich habe sie erfahren. Weil sie bereit war, meinen Hunger zu stillen. Wie den von vielen, sehr vielen anderen Männern. Ihre Großzügigkeit war unersättlich, ihr Körper von tiefer Weisheit. Er wusste alles und nahm nie, ohne zu geben.
    Noch heute könnte ich nicht sagen, was erstaunlicher war: der Sex mit ihr oder ihre Sexgeschichten. Beides war exquisit und ohne jede Moral. Nichts bedrückte sie. Kein christlicher Sexhass, kein katholischer Beichtspiegel, nie war sie verdunkelt von bürgerlicher Heuchelei und der Mühsal, ihre Lust und ihre Lustorgane zu rechtfertigen. Sie war Haut und Natur, sie war sinnlich und unschuldig, sie war wahr. Unheimlich wahr.
    Ich bin Zeuge. Seitdem ich zum ersten Mal mit ansehen durfte, ja durfte, wie sich ihr Körper für jede kleinste Berührung bedankte. Wie schnell sich die Wonne in ihr ausbreitete, wie aus der Glut ein Buschbrand wurde und aus dem Buschbrand ein Erdbeben. Und wie sie bald in eine selige Trance schleuderte, aus der sie erst erwachte, nachdem der Gipfelsturm abgeklungen war und sie mich verdutzt neben dem Bett liegen sah. Hinausgeworfen auf dem Gipfel ihrer stürmischen Wollust, die irgendwann alles vergaß, auch die Zeit, auch den Lover, ja, die ganze Welt. Sie war ausschließlich. Ja, das Ausschließliche, das war das Bestaunenswerteste.
    Sie unterrichtete mich, ich lernte, bekam bald ein Gespür für den Moment, in dem ich Gefahr lief, wieder im Sturzflug ihren bebenden Schoß verlassen zu müssen. Dann griff ich nach dem nächstbesten Körperteil und hängte mich ein. So schlitterten wir gemeinsam. Bei ihr war ich nie linkisch, nie zu früh, nie zu spät. Auf nachlässige Weise sorgte Magda dafür, dass keiner zu kurz kam. Nein, so ist es falsch, so war es: Sie sorgte sich um nichts, sie gab sich einfach hin, an den Augenblick, an mich, an das unglaubliche Gefühl von Nacktheit und Nähe.
    Was sie so einzigartig machte, war – über allem – ihr Talent, einem Mann die Gewissheit zu vermitteln, er wäre ein bravouröser Liebhaber. Der Konjunktiv stimmt nicht, er war es. Weil sie so leicht entflammbar war. Weil ein Mann in ihrer (nackten) Gegenwart nichts falsch machen konnte. Wir waren alle so gut, weil sie so überragend war. Niemals bildete ich mir ein, dass ihre Ekstase von mir abhing. Trotzdem schmeichelte ihr Schreien und Flüstern.
    Für alles andere war kein Platz. Magda sorgte dafür, dass das restliche Leben

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