Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
ein. Ich holte sie am Flughafen ab. Und zähmte mich. Beides erregte mich, die Aussicht auf ihren begnadeten Körper und die Erzählung, von der sie gemeint hatte, man könne sie fernmündlich nicht mitteilen. Zu verwegen, zu vermessen wäre sie. Wir fuhren zu mir und ich bekam beides, ihren Body und die Geschichte. Hier steht sie:
Ein Kunde des Pink Inn hatte sie zu einer »private party« nach G . mitgenommen, dem Nobelviertel der Stadt. Sie läuteten an der noblen Haustür und Besitzer und Besitzerin der feinen Villa öffneten. Schon ausgezogen. Man vergnügte sich bald redlich zu viert. Jeder mit jedem, alle auf einmal, die Damen unter sich, die erschöpften Herren als dankbare Zuschauer. Dann plaudern, dann wieder alle zusammen. Das war vergnüglich und ein uralter Hut. Später stellte der Hausherr eine geschmackvolle Schatulle auf den Glastisch. Die Hausherrin reichte eine Rasierklinge und einen großen Geldschein. Es gab das beste Mittel, um ersten Erektionsschwächen entgegenzuwirken: weißes Pulver. Die beiden Frauen snifften auch. Mit dem Kokain im Blut trieb das Quartett neuen Freuden entgegen. Es war lebhaft und lautstark, aber noch lange nicht der Höhepunkt des Abends.
Der kam kurz nach zwei Uhr morgens. Es war die Stunde, in der die vier – gerade wieder in einer Ruhephase – Champagner und Cracker konsumierten und der Villenhund, ein ausgewachsener Dobermann, sich nonchalant dem nackten Freundeskreis näherte. Drago, der schöne Rüde, machte die Runde. Bis er vor Magda stand, die entspannt am Fuß der schmalen Wendeltreppe saß, die hinauf zum Schlafzimmer führte. Drago roch, schnüffelte und – entschied sich. Seine Hundeerektion war eindeutiger Zeuge seines guten Geschmacks. Magda zögerte, jetzt doch für Sekunden im Kampf mit den bedrohlichen Stimmen eines abendländischen Gewissens. Dann drehte sie sich elegant auf die Knie und wartete auf ihren vierbeinigen Liebhaber. Er kam, sie kam. Nichts schien einfacher. Die unerhörte Geschichte endete in seliger Ermattung.
Wie ich sie bewunderte. Magda war eine Revolutionärin. Sie riskierte alles, um ihre Sehnsüchte nicht zu verraten. Ihr Mut den eigenen Ängsten gegenüber war beängstigend. Sie wich ihnen nicht aus, sie floh nicht, sie träumte nicht, sie sprang: Sie lebte.
»Bis zu jenem Tag«, um ein Wort Otto Flakes zu zitieren, »an dem der Küster kam.« Der Küster als Sammelbegriff für alle Daddys, die nichts anderes anzubieten haben als Sicherheit und Ewigkeit. Mein Erstaunen war uferlos. Das unergründliche Menschenherz, einmal mehr. Ein Männchen trat auf und verführte sie. Auf den Weg aller bürgerlichen Biederkeit. Sie heiratete ein zweites Mal und alles hörte auf: die Geschichten, die Lustschreie, die Suche. Sie war jetzt vierunddreißig und die Angst vor der zweiten Hälfte ihres Lebens schien plötzlich unermesslich. Mehr war aus ihren wenigen Briefen nicht herauszulesen. Magda verwitterte, sie wurde still und unheilbar zufrieden. Wobei sie nicht nachließ in ihrer Radikalität, jetzt eben eine radikale Spießerin wurde. Nicht viele Klischees blieben übrig, die sie nicht nachholte. Die Revolutionärin und ihr Feuer waren erloschen.
Eines Tages kam ein Einschreiben. Diesmal von ihrem Ehemann. Darin verbat er sich »jeden weiteren Briefverkehr« mit seiner Frau. Ich wollte witzig sein und antworten, dass mir nun auch dieser Verkehr versagt bliebe. Aber ich hielt den Mund, denn ich wusste, der Ehemann hatte recht: Es war vorbei. Es gab nichts mehr zu wissen, nichts mehr zu erfahren, nichts mehr zu lachen.
MONSIEUR DANGER
Rose war eine gute Freundin. Kein Funken Leidenschaft sprühte zwischen uns. So konnten wir verschwenderisch offen sein, ein Zustand, der zwischen Liebhabern nie möglich ist. Als Malerin lebte sie in Paris und hatte das wiederholte Bedürfnis, sich anstrengend und leidvoll zu verlieben. Wenn möglich, schritt ich ein, warnte (vorher) und tröstete (nachher), je nach Lage der Dinge. Im Augenblick stand ein Barmann zur Diskussion. Deshalb rief sie an diesem Freitagabend an, bat mich, mitzukommen in die Numéro 106 der Rue Saint-Honoré. Um vor Ort den Typen zu inspizieren, ihn toll zu finden und Ja zu sagen.
Eine feine Adresse. Gesichtskontrolle über Videokameras, der schwere Teppich auf dem Weg nach unten. Kaum hatten wir die Bar erreicht, zeigte Rose diskret auf einen nackten Hintern und nickte: der Hintern ihrer neuen Flamme. Auf der linken Hand balancierte der Mensch ein Tablett mit leeren
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