Diese eine Woche im November (German Edition)
Carabinieri. Vielleicht sind sie zu überrascht, vielleicht hat ihr Dienst noch nicht begonnen, jedenfalls lassen sie auch die drei unbehelligt vorbei. Die Polizisten, Tonio und der Zeitungsverkäufer sind die Einzigen auf der Brücke. Mit forschem Schritt kommen die Carabinieri auf den Jungen zu.
» He « , sagt der eine.
» Komm her « , der andere.
Tonio will sich nicht mit der Polizei unterhalten. Er nimmt die Beine in die Hand und flitzt dorthin zurück, von wo er kam.
» He! « , hört er hinter sich. » Hey! «
Durch die Gasse, die nach Papst Pius dem Zehnten benannt ist, rennt Tonio Richtung Hauptquartier.
***
Pippa hat das Missverständnis vor Tonio begriffen. Nicht die Carabinieri stellten die Bedrohung dar, sondern die Typen in den Anzügen. Pippa hat noch nie mit solchen Männern zu tun gehabt. Sie hatte bis gestern keine Ahnung, dass ein Geheimbund namens Trucidi existiert. Wäre es nicht das Beste, wenn sie aus dem Karussell, in das Tonio hineingeraten ist, einfach aussteigt, statt sich als sein Schutzengel aufzuspielen? Stattdessen unternimmt Pippa etwas sehr Riskantes. Sie verfolgt die Verfolger, die da Silva verfolgen. Wenn der Einhändige etwas über Julias Vater weiß, sollte man erfahren, wo da Silva hinwill.
Gerade läuft er die Uferpromenade des Canale Grande entlang. Zwei der Männer folgen ihm, der dritte ist verschwunden. Rechts die Restaurants, links die Anlegestelle der Wassertaxis. Pippa hält Abstand. Wenn die Gassen so leer sind, fällt ein einzelnes Mädchen auf. Dort poltert ein Lieferant mit seiner Sackkarre übers Pflaster. Da fährt der erste Obstkutter den Kanal hoch. Ein Jogger kommt Pippa entgegen, wegen der Dunkelheit trägt er eine Taschenlampe auf der Stirn. Die Gondeln sind noch mit blauem Plastik zugedeckt, aber am anderen Ufer sieht man schon die ersten Gondolieri in der Frühkneipe sitzen.
Pippa gelangt ans Wasser, hier geht es nicht weiter. Da Silva muss irgendwo abgebogen sein. Lief er in die breite Calle oder in den Durchgang, der zur Kirche San Silvestro führt? Pippa entscheidet sich für die Kirche, rennt und erreicht den Platz. Der Glockenturm liegt im Licht der Straßenlaternen. Dort ist da Silva! An der Pforte zum Turm sieht er sich hastig um und schlüpft hinein. Wo sind seine Verfolger, hat er sie abgeschüttelt?
Da Silva befindet sich im Glockenturm: Mehr braucht Pippa nicht zu wissen. Sie könnte umkehren und auf schnellstem Weg ins Hauptquartier zurückkehren. Trotzdem nähert sie sich dem Turm. Unruhig blickt sie sich um. Wo sind die Männer, verstecken sie sich in einem Torbogen? Pippa erreicht den Brunnen, nichts regt sich. Sie huscht zum Campanile weiter. Unbehelligt gelangt sie an die Pforte. Drückt mit der Schulter dagegen, es ist offen. Ein Blick hinein. Eine steile Treppe, hier geht es nirgendwohin als in den Turm. Ist das etwa da Silvas Versteck? Pippa tastet nach dem Handy. Tonio soll wissen, wo sie ist. Während sie eine Nachricht tippt, nimmt sie die ersten Stufen, schaut die Spirale hoch. Die Treppe verliert sich im Dunkeln. Ihre Finger fliegen über das beleuchtete Viereck. Sie gibt Tonios Nummer ein.
Ein erschreckter Schrei.
» Was willst du? « , hört sie. Oben im Turm fällt etwas um. Eine Tür geht auf, ein Schattenriss. Eilige Schritte. Da kommt da Silva, rennt direkt auf sie zu.
Du dreifacher Idiot, denkt Pippa, wie konntest du in diese Mausefalle tappen? Über da Silva taucht ein Mann im Anzug auf. Er folgt dem Fliehenden. Raus hier! Pippa macht kehrt, das Telefon noch in der Hand. Sie hat die Nachricht nicht abgeschickt. Sie springt mehrere Stufen auf einmal. Pippa reißt die Pforte auf.
Dort lehnen die Männer. Sie erwarten da Silva, aber ein Mädchen springt ihnen in die Arme. Pippa schreit vor Schreck auf. Wie die dümmste Anfängerin hat sie sich benommen. Regel Nummer eins: Du brauchst immer einen zweiten Fluchtweg. Regel Nummer zwei: Greif an. Damit rechnet keiner, dass ein zartes Mädchen auf zwei kräftige Männer losgeht. Statt den Händen, die nach ihr greifen, zu entschlüpfen, tritt Pippa dem ersten gegen das Knie. Der andere Mann packt ihre Schulter. Das fühlt sich an, als wäre sie in eine Metallpresse geraten. Pippa schlägt zu und beißt in die Hand. Die Eisenklammer lässt nicht locker.
» Was wolltest du im Turm? « Der Kerl dreht ihr den Arm auf den Rücken.
Pippa weiß sich anders nicht zu helfen, sie schreit. Eine schreiende Frau ist ein Risiko für die Männer. » Hilfe! Hilfe! «
» Sie soll
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