Diese Nacht darf niemals enden
auch dieser zweite Versuch scheiterte, sosehr sie sich auch bemühte. Sie konnte ihn einfach nicht malen.
Nicht wenn er vor ihr saß, nicht von den Skizzen, nicht aus der Erinnerung.
Auch nicht aus ihren Träumen.
Das wühlte sie am meisten auf. Sie träumte von ihm, träumte, wie sie ihn malte. Zuerst hatte sie sich damit beruhigt, dass es ganz natürlich sei. Ihr Unterbewusstsein suchte nach einer Lösung, die ihr Bewusstsein nicht fand. Doch als diese Blockade weiter anhielt und sie aus dem dritten Traum von Guy de Rochemont aufschreckte, wusste sie, dass sie sich geschlagen geben musste.
Es ärgerte sie maßlos. Sie kündigte keinen Auftrag auf. Das hatte sie noch nie getan. Es war unprofessionell. Es war aber auch unprofessionell, minderwertige Arbeit abzuliefern. Ihr blieb also keine Wahl. Sie würde zugeben müssen, dass sie das Portrait nicht malen konnte. Schluss, aus, fertig.
Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, diese Aufgabe Imogen zu übertragen, aber das wäre feige. Außerdem würde Imogen nie zulassen, dass sie das Handtuch warf. Nein, sie musste es selbst machen. Also biss sie in den sauren Apfel und rief in seinem Büro an.
Der Ton seiner Assistentin war nicht freundlicher geworden. Monsieur de Rochemont sei außer Landes. Vor dem nächsten Termin für die Sitzung ergebe sich keine Möglichkeit, ihn zu sprechen.
Darum war Alexa umso erstaunter, als die Assistentin kurze Zeit später zurückrief, um ihr auszurichten, dass Monsieur de Rochemont Alexa in seinem Büro empfangen würde, in genau einer Woche, abends um sechs, wenn es ihr recht sei. Nein, es war ihr nicht recht, aber sie verkniff sich diese Antwort. Es musste getan werden, und sie wollte es hinter sich bringen.
Als Alexa zu dem vereinbarten Termin in die Londoner Zentrale von Rochemont-Lorenz kam, wartete sie eine gute halbe Stunde im Foyer, bevor man sie mit dem Aufzug in die Vorstandsetage brachte. Oben, über zwanzig Stockwerke in der Luft, führte die Assistentin sie dann zu der schweren Mahagonitür, hinter der der Vorstandsvorsitzende residierte.
Guy de Rochemont stand von einem Schreibtisch auf, groß wie ein Auto, und kam durch einen Saal, groß wie ein Tennisplatz, auf sie zu. „Miss Harcourt …“
Sein Maßanzug saß perfekt, seine Stimme klang höflich und glatt, und wieder stellte Alexa fest, dass sie ihn nur anstarren konnte. Sein Gang war geschmeidig wie der eines Panthers.
Das hier ist seine natürliche Umgebung, dieses Penthouse mit den gläsernen Wänden, mit Blick über die ganze Stadt. Geld und Macht und Privilegien. Ein Elfenbeinturm fernab vom Rest der Welt, von dem aus er herrscht.
Automatisch ergriff Alexa seine ausgestreckte Hand und wünschte im gleichen Moment, sie hätte es irgendwie vermeiden können. Sie wollte die Stärke in seinem Händedruck nicht fühlen.
Für einen Moment studierte er ihr Gesicht, und der Gedanke, den sie schon einmal gehabt hatte, schoss ihr durch den Kopf.
Grüne Augen, smaragdgrüne Juwelen … und dieser Schleier, durch den ich nicht schauen kann.
„Gibt es ein Problem?“
Wie konnte er das wissen? Und wie sollte sie es ihm sagen? Sie sprach während der Sitzungen ja kaum mit ihm, und er bat auch nie darum, sich die Fortschritte an dem Bildnis ansehen zu dürfen. Seine Direktheit ließ sie kurz erstarren, dann streckte sie den Rücken durch und trat einen Schritt zurück, um mehr Abstand zwischen sich und ihn zu bringen. Das erschien ihr besser.
„Ich fürchte, ja.“ Sie klang schrecklich steif, konnte es aber nicht ändern. Gleich würde sie einem reichen und mächtigen Kunden – dessen Portrait, wie Imogen nie müde wurde zu erwähnen, die Eingangstür zu nie da gewesenem kommerziellen Erfolg bedeutete – sagen, dass sie nicht in der Lage war, den Auftrag zu erfüllen.
Er hob nur eine Augenbraue und sagte nichts. Wie würde er es auffassen, wenn er erfuhr, dass all seine kostbare Zeit verschwendet worden war? Er würde wütend werden!
Zum ersten Mal verspürte Alexa Nervosität. Nicht, weil sie ihren künstlerischen Misserfolg eingestehen musste, sondern weil sie jäh erkannte, dass Guy de Rochemont die Macht besaß, ihre Karriere zu ruinieren. Er brauchte nur zu erwähnen, dass sie unzuverlässig war …
Sie holte tief Luft. Sie schuldete ihm die Wahrheit. Und er wartete augenscheinlich auf eine Erklärung.
„Ich kann Sie nicht malen.“
Nichts in seiner Miene änderte sich. Sein Blick ruhte weiterhin auf ihr. „Warum nicht?“
„Weil ich
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