Diese Nacht darf niemals enden
keineswegs darauf anlegte, sein Interesse zu wecken.
Dass sie sich seiner nur allzu bewusst war, hatte Guy von Anfang an gewusst. Es hatte ihn amüsiert und seinem Streben einen zusätzlichen Reiz verliehen. Das Erreichen seines Ziels hinauszuzögern und sehr viel mehr Zeit zu investieren, als er üblicherweise für die Frauen einsetzte, die er zu seiner Kurzweil auswählte, verschaffte ihm ausgesprochenes Vergnügen. Auch wie ein Prinz im Renaissancepalast für das Gemälde zu posieren und dabei ihre feinen Züge zu studieren, machte ihm großen Spaß. Während sie sich mit aller Macht bemühte, seine Musterung zu ignorieren.
Es war diese bemühte Anstrengung, die sie verraten hatte. Sie wurde sich seiner Gegenwart immer bewusster.
Für einen Augenblick verdunkelten sich seine Augen. Dieses Bewusstsein für ihn war zweifelsohne auch der Grund, warum sie mit ihrer dramatischen Ankündigung hergekommen war. Zuerst hatte er es ebenfalls für eine Taktik gehalten, mit der sie herausfinden wollte, ob er an ihr interessiert war. Doch dann war ihm mit einer gewissen Erleichterung klar geworden, dass er seinen anfänglichen Eindruck von ihr nicht revidieren musste. Ihre Entschiedenheit, sein Portrait nicht zu malen, war echt.
Ein exzellentes Zeichen! Exzellent, weil sie nicht versuchte, intrigant zu sein. Und noch exzellenter, weil sie solche Schwierigkeiten hatte, ihre Aufgabe zu erfüllen und sein Wesen auf die Leinwand zu übertragen. Der Grund war offensichtlich. Er war nicht länger nur ein Klient für sie. Sie konnte ihn nicht malen, weil sie ihn … begehrte.
Und Begehren war auch das, was er für sie fühlte. Er hatte es im gleichen Moment erkannt, in dem er begriffen hatte, dass ihre Reserviertheit und Fassung nur Fassade war. Und er hatte sich den Luxus gegönnt, sein Begehren zu kultivieren. Jetzt, da sie vor ihm stand und ihm endlich ihre hinreißende Schönheit zeigte, wuchs dieses Begehren. Erwartungsvolle Vorfreude auf den Abend und die Nacht baute sich in ihm auf.
Ihr jedoch schien keineswegs klar zu sein, was vor ihr lag. Amüsiert fragte er sich, wie so etwas möglich sein konnte. Er kannte keine andere Frau, die sein Interesse nicht längst bemerkt hätte. Nun, das würde die Verführung nur noch reizvoller gestalten.
„Sollen wir dann?“, fragte er einladend und führte sie zur Tür, geleitete sie an der nunmehr verlassenen Rezeption vorbei. Ihr Gang war wahrhaft graziös, obwohl er die Anspannung in ihren Schultern bemerkte – so als fühlte sie sich nicht wirklich wohl in ihrer Haut.
Wie sollte sie auch? Die unerwartete Situation hatte sie überrumpelt, dennoch gab sie sich den Anschein völliger Gelassenheit. Als hätte sie erwartet, eingekleidet, frisiert und geschminkt zu werden, um an einer Galasoirée teilzunehmen.
Auf dem Weg zur Tiefgarage in seinem Privataufzug plauderte er über den bevorstehenden Abend. Sie gab die entsprechenden Erwiderungen, höflich und formgewandt. So erreichten sie die bereitstehende Limousine, der Motor lief bereits. Guy half Alexa beim Einsteigen, glitt neben sie auf die Rückbank und gab seinem Chauffeur das Zeichen zum Aufbruch.
Es dauerte nur eine knappe Viertelstunde, um ins Londoner West End zu gelangen. Guy hielt die leichte Plauderei in Gang, doch seine Bemerkungen erfolgten eher sporadisch. Dass Alexa nicht zu den ermüdenden Frauen gehörte, die sich beflissen fühlten, ununterbrochen zu reden, freute ihn. Sie begnügte sich damit, Bemerkungen zu kommentieren und Fragen zu beantworten, und war weder zurückhaltend schweigsam noch geschwätzig.
Sie gefiel ihm. Und ihm gefiel auch, dass er während der Gesprächspausen, in denen sie zum Seitenfenster hinaus auf die Straßen Londons sah, die Gelegenheit erhielt, sie in Ruhe im Profil zu studieren – und nicht nur das Profil ihres Gesichts.
Ja, sie verdiente sicher seine Zeit und Aufmerksamkeit. Zufrieden mit seiner Wahl lehnte er sich entspannt in die Lederpolster zurück, um mit seiner Begutachtung fortzufahren. Der Abend versprach, mehr als nur angenehm zu werden.
Und die Nacht … ah, die Nacht würde beispiellos sein.
3. KAPITEL
Schwaches Tageslicht fiel auf Alexas Augen und ließ sie die Lider heben. Langsam sah sie sich um und nahm ihre Umgebung wahr.
Ein Hotelzimmer. Sie war in einem Hotelzimmer, in einem jener Hotels, deren Name als Synonym für Luxus, Stil und Exklusivität stand. In dem Hotel hatte sie gestern Abend auch diniert, in einer Suite, die größer war als ihre gesamte
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