Diese Nacht darf niemals enden
überzeugt, dass der Taxifahrer mit einem wissenden Blick in den Rückspiegel gesehen hatte, als sie eingestiegen war. Während der Fahrt schaute sie mit leeren Augen auf die vorbeiziehenden Straßen hinaus und drückte dem Fahrer eine Zehn-Pfund-Note in die Hand, als er vor ihrer Tür hielt. Sie rannte praktisch die Treppe hinauf, bevor einer der Bewohner sie vielleicht sehen und ebenso wie alle anderen zu dem einzigen richtigen Schluss kommen würde. So etwas hatte sie noch nie getan!
„Natürlich hast du so etwas noch nie getan“, sagte Alexa laut zu sich, als sie endlich die Sicherheit des eigenen Schlafzimmers erreicht hatte und das verräterische Kleid ausziehen konnte. „Du bist ja auch noch nie von einem Mann wie Guy de Rochemont verführt worden.“
Aber jetzt war sie es, und sie würde es ihr Leben lang nicht vergessen.
Plötzlich fühlte sie sich schwach und müde. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken, als die Realität sie mit Wucht einholte. Emotionen stürzten auf sie ein – ungläubige Verwunderung, Erinnerungen, Erstaunen … und seine Abschiedsworte.
Jetzt sind wir ein Liebespaar, non?
Was hatte er damit gemeint? Was konnte er damit überhaupt gemeint haben?
Eine Stunde später fand Alexa es heraus. Sie hatte kaum zu Ende geduscht und sich etwas Vernünftiges angezogen, als ihre Klingelanlage ertönte. Im Eingangsflur nahm sie von einem Boten einen Blumenkorb in Empfang, so riesig, dass sie ihn nur mit Anstrengung zurück in die Wohnung tragen konnte. Sobald sie wieder in ihrem Apartment war, suchte sie nach der Karte.
À bientôt.
Mehr stand nicht darauf. Mehr brauchte auch nicht daraufzustehen. Der Anruf, der fünf Minuten später von Guy de Rochemonts Assistentin erfolgte, klärte den Rest.
Der herablassende Ton der Frau hatte sich nicht geändert. Dieses Mal jedoch informierte sie Alexa nicht darüber, dass Monsieur de Rochemont zur nächsten Sitzung doch nicht erscheinen würde, sondern übermittelte ihr eine Handynummer – „auf Anweisung von Monsieur de Rochemont“. Sie solle diese Nummer statt der Londoner Firmennummer nutzen, aber auch nur, wenn der Besitzer des Handys einen Rückruf erwarte. Und unter keinen Umständen dürfe sie die Nummer an Dritte weitergeben.
Die Frau beendete das Telefongespräch streng: „Bitte rufen Sie mich nicht an, Miss Harcourt, um Details über Monsieur de Rochemonts Terminkalender in Erfahrung zu bringen. Ich habe nicht die Vollmacht erhalten, Ihnen andere Informationen zukommen zu lassen als die, die ich Ihnen gerade übermittelt habe. Alles Weitere erfolgt nur dann, wenn Monsieur de Rochemont es für notwendig erachtet und entsprechende Instruktionen ausgibt.“
Nach dem Anruf blieb Alexa noch eine Weile wie erstarrt sitzen, weil sie einerseits nicht recht fassen konnte, was sie da gehört hatte, und andererseits die unangenehme Art dieser Frau verarbeiten musste. Erst dann machte sie sich daran, die gelieferten Blumen in die verschiedensten Behälter zu verteilen, denn sie besaß keine einzige Vase, die groß genug wäre, um das üppige Bouquet zu fassen.
Der Duft der Blumen hing schwer in der Luft und schien sie zu betäuben. Ihr Kopf war wie leer – so, als ob zu viel zu schnell passiert war und sie keinen Sinn darin entdeckte.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, dachte sie.
Dann tu einfach nichts.
Die Worte formten sich wie von allein und verschafften ihr eine gewisse Erleichterung. Mehr als die Blumen in der Wohnung zu verteilen, wurde im Moment nicht von ihr verlangt. Wohl wissend, dass sie auch nicht in der Lage sein würde, konzentriert in ihrem Studio zu arbeiten, setzte sie sich an den Schreibtisch und kümmerte sich um den aufgelaufenen Papierkram, angefangen mit dem Bezahlen verschiedener Rechnungen bis zur Inventarliste ihrer Arbeitsmaterialien.
Außerdem saugte Alexa die Wohnung, putzte die Küche, wusch Wäsche und ging nach einem leichten Lunch einkaufen. Als Erstes jedoch schickte sie das Paket mit dem Abendkleid und den Accessoires per Kurier an die Adresse von Rochemont-Lorenz, zusammen mit einer schriftlichen Entschuldigung, weil sie nicht dazu gekommen war, das Kleid vorher reinigen zu lassen.
Nachdem ihr Kühlschrank nun wieder gefüllt war, beschloss sie, einige Stunden im Fitnessstudio zu verbringen. Das würde helfen, sich abzulenken. Beim Sport würde sie nicht ständig von Erinnerungen heimgesucht werden oder von dem Gefühl völliger Verständnislosigkeit, das ihren Verstand betäubte. Zurück zu Hause las
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