Diese Nacht darf niemals enden
…“ Und dann hatte sie Alexa mit einem schweren Seufzer umarmt.
Jetzt lag wieder Mitleid in Imogens Stimme. Und ihr Zögern war völlig untypisch für sie. Alexa beschloss, die Sache abzukürzen.
„Ich weiß. Er heiratet.“
Die Stille am anderen Ende sagte mehr als alle Worte. „Der Mistkerl!“, kam es schließlich zischelnd durch die Leitung. „Es steht auf einer der Webseiten, die ich mir gerade ansehe. Sie zeigen ein Bild von Carla Crespi und schreiben in dem Artikel, dass die gute Carla ihre Hoffnungen begraben kann, weil er kurz davor steht, seine Verlobung bekannt zu geben. Und dann folgt eine ganze Story über die Verlobte deines hochherrschaftlichen Guy de Rochemont.“ Vernichtender hätte niemand diesen Namen aussprechen können. „Irgendeine Cousine x-ten Grades aus dem Lorenz-Clan. Sie haben ein Bild von ihr vor irgendeinem Schloss aufgetrieben. Sie sieht aus wie eine angemalte Schaufensterpuppe. Aber Daddy gehört eine der vielen Banken, und so bleibt das Geld in der Familie. Wie praktisch!“
„Nun, auf diese Art und Weise sind sie reich geblieben.“ Es verwunderte Alexa, wie ruhig sie klang. Denn in ihrem Innern tobte eine Schlacht. Imogen hatte ihr Informationen verraten, die sie gar nicht wissen wollte. Sie wollte nichts von der Frau hören, die Guy heiraten würde. Und doch brannten sich die Informationsfetzen in ihr Hirn ein. Sie versuchte, es zu ignorieren.
Außerdem konzentrierte sich Imogens Wut jetzt auf einen anderen Punkt. „Ah, der hohe Herr hat sich also dazu herabgelassen, es dir mitzuteilen? Oder hast du es auf die gleiche Art und Weise erfahren wie ich?“
Natürlich nicht! Im Gegensatz zu ihrer Freundin besuchte Alexa niemals solche Seiten und las auch keine Zeitschriften über die Reichen und Schönen.
„Glaub mir, Alexa. Wenn der Mann etwas vorhat, von dem du wissen solltest, werde ich es schon herausfinden“, hatte sie gesagt, als sie von der Affäre ihrer Freundin mit dem berühmten Bankier erfahren hatte.
Doch Imogens Wachsamkeit wäre nicht nötig gewesen. Guy hatte keinen Grund, irgendetwas vor ihr zu verheimlichen. Auch nicht die Tatsache, dass ihre Affäre zu Ende war …
„Er hat es mir heute Morgen gesagt.“ Ihre erstaunliche Ruhe hielt sich. „Ich habe ihm gratuliert, ihm alles Gute für die Zukunft gewünscht und Lebewohl gesagt. Wir haben uns gütlich getrennt.“
Am anderen Ende blieb es verdächtig still. Alexa merkte plötzlich, wie verkrampft ihre Finger den Hörer hielten. Sosehr sie es auch versuchte, es gelang ihr nicht, sie zu lockern. Also konzentrierte sie sich darauf, ihre Stimme sachlich zu halten.
„Imogen, ich wusste, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Es hat überhaupt keinen Sinn, sich aufzuregen. Guy de Rochemont ist in mein Leben geplatzt, und jetzt ist er wieder gegangen. Ende der Geschichte. Ich bin absolut in Ordnung, glaub mir. Wirklich, mir geht es gut. Mir geht es bestens.“
Ihre Finger ließen sich dennoch nicht lockern, und jetzt schnürte ihr auch noch irgendetwas die Kehle zu.
Durch die Muschel drang ihr Name, und gleich darauf noch ein weiteres Mal. „Ich komme rüber“, rief Imogen dann. Und bevor die Leitung unterbrochen wurde, konnte Alexa noch ein gezischeltes „Mistkerl!“ hören.
„Guy! Servus! Wie geht’s, wie steht’s?“
Der Gruß klang jovial. Guy wurde am Arm gefasst und in die Richtung gesteuert, die sein Gastgeber vorgab. Denn genau das war es, was Heinrich von Lorenz tat: Er steuerte Guy in die Richtung, die ihm am besten passte – die seiner Investmentbank am besten passte. Seiner verdammten Bank, die er an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatte.
Warum, zum Teufel, war Heinrich nicht früher zu ihm gekommen? Warum hatte er monatelang geblufft und das Loch damit tiefer und tiefer gegraben? Die Antwort war beschämend einfach: Stolz. Kostspieliger Stolz, der eigentlich nicht zu finanzieren war.
Guys Ärger richtete sich gegen ihn selbst. Er hätte merken müssen, wie katastrophal die Probleme von Lorenz Investment ausgeufert waren. Verdammt, es war schließlich seine Aufgabe, alles zu überblicken, das ganze Labyrinth von Rochemont-Lorenz, sozusagen aus der Vogelperspektive. Das war der Job, den er von seinem Vater geerbt hatte und mit dem er nun festsaß.
Wie viele Leute ihn beneideten! Nicht nur außerhalb des Rochemont-Lorenz-Monstrums, auch innerhalb. Wie viele wären nur zu gern in seiner Position – den Kopf einer riesigen, reichen, mächtigen Dynastie!
Es war
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