Diesen Cowboy muss ich küssen
nachdenklich an einem verwitterten Picknicktisch neben dem Rodeoplatz. Nachdem Will das Essen, das er sich am
Longhorn Bar & Grill
geholt hatte, mit ihr geteilt hatte, war er zum Rodeoplatz gegangen.
Dana bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken. Sie legte die Hände um das Bierglas, dessen kaltes Kondenswasser wenig ausrichtete gegen den Staub und die Hitze, die noch in der Luft hingen, obwohl es schon längst dunkel geworden war.
Will hatte recht gehabt. Das Lassowerfen im Team war nicht gerade aufregend, außer natürlich, wenn Will an der Reihe war. Dann wandte sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu. Im Augenblick saß er gerade auf Pete und legte sich geschickt das Lasso zurecht für seinen nächsten Auftritt.
Er sieht königlich aus im Sattel, dachte Dana, ein Cowboyritter, dessen Rüstung aus einem braunen Westernhemd und karamellfarbenem Lederschutz bestand, der Beine und Schenkel bedeckte. Bisher hatte Dana nur selten einen Gedanken an Cowboys verschwendet. Aber das war, bevor sie Will getroffen hatte.
Soweit sie es beurteilen konnte, hatten er und sein Partner, ein schlaksiger Junge namens Boyd, gut abgeschnitten. Jetzt in der Endrunde, so hatte Will ihr erklärt, mussten Boyd und er das andere Team in der Zeit unterbieten, um den Wettkampf zu gewinnen.
Auf ein Zeichen hin stürmte nun ein schwarzbunter Stier auf den Platz. Will trieb Pete mit den Fersen aus dem Tor, in dem er gestanden hatte, und blieb etwas zurück, bis es Boyd gelungen war, sein Lasso um die Hörner des Stiers zu werfen. Danach fing Will die Hinterbeine des Tiers ein, warf es damit zu Boden und hielt den Stier in dieser Lage. Schließlich senkte der Schiedsrichter seine Fahne.
Will wartete, bis der Stier losgebunden war und ihre Zeit verkündet wurde, und ritt dann breit grinsend und den Arm in Siegerpose erhoben durchs Tor. Kaum war er vom Pferd herunter, scharte sich die Menge um ihn. Dana musste sich fast den Hals verrenken, ehe sie ihn endlich wieder in der Nähe des Platzes erspähte. Eine Gruppe von Cowgirls umschwärmte ihn wie Bienen den Honig.
Wie konnte sie mit diesen jungen Girls in hautengen Jeans und bauchfreien Tops konkurrieren? Gar nicht, sagte Dana sich, du passt überhaupt nicht hierher. Und sie fragte sich, ob Will es nicht schon bereute, sie mitgenommen zu haben, anstatt sich ausführlich um die Frau mit den blonden Locken zu kümmern, die an seinem Arm hing und jedes seiner Worte aufnahm, als wäre es die große Offenbarung.
Will neigte den Kopf und sagte etwas zu der Blondine, woraufhin sie den Kopf hängen ließ. Dann warf sie einen Blick zu den Picknicktischen und ging achselzuckend davon.
Dana setzte sich wieder hin und gab vor, sich umzuschauen, bis sie einen dumpfen Schlag auf dem Tisch vernahm und der herbe Geruch des Seils ihr in die Nase stieg. Sie blickte zu Will auf, dessen Gesicht und Hut von einem dünnen Staubfilm bedeckt waren. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der den ganzen Tag im Dreck gespielt hatte, was ja nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war.
“Ich schätze, Sie können es gar nicht abwarten, von hier wegzukommen”, meinte er.
“Nein, es war interessant … und unterhaltsam.”
Er berührte ihre Wange. “Sie brauchen nicht zu lügen. Ich habe doch gesehen, dass Sie ein paarmal ein Gähnen unterdrückt haben.”
Sie lächelte. “Ich bin nur ein bisschen müde, das ist alles. Aber Sie waren großartig. Gewinnen Sie immer?”
Will grinste. “Nicht immer, aber oft.” Mit dem Daumen wies er über die Schulter auf Boyd, zu dem sich die Blondine gesellt hatte, die er eben verschmäht hatte. “Ich habe einen guten Partner, und das ist das Wichtigste beim Lassowerfen im Team.”
Dana stützte das Kinn in die Hand und schaute ihn an, hingerissen von dem Leuchten in seinen dunklen Augen, das von den Lampen über ihnen noch verstärkt wurde. “Sie sind zu bescheiden.”
“Nein. Ich sage bloß die Wahrheit. Gute Teamarbeit macht wieder wett, was einem möglicherweise an echtem Talent fehlt.” Er reichte ihr die Hand. “Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause, bevor Sie mir hier noch umfallen. Ich nehme an, Sie müssen morgen schon früh bei der Arbeit sein.”
“Ja, das stimmt.” Doch sie war ein bisschen enttäuscht, dass sie nicht noch eine Weile zusammen sitzen blieben und die nächtliche Atmosphäre genossen und die gedämpfte Musik, die von der Bar herüberklang.
Cowboys und Cowgirls strebten eng umschlungen zu intimeren Plätzen, die mehr im Dunkeln lagen. Beim
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