Diesen Cowboy muss ich küssen
hätte er wohl. Aber er hatte es eben nicht getan. Will rieb sich das Kinn. Das hier würde nicht leicht werden. Aber was an seiner Beziehung mit Dana war bisher schon leicht gewesen. “Ich wollte, dass du dir selbst ein Bild machst.”
“Das ist eine lahme Entschuldigung.”
“Mag sein, aber ich hielt es nun mal für einfacher, es dich selbst herausfinden zu lassen.”
“Dann wärst du ja ein Feigling.”
Ihre Bemerkung traf ihn. “Schön, dass du’s endlich begriffen hast.”
“Ich kauf dir das nicht ab, Will. Ich will die Wahrheit hören.” Dana tippte ihm mit dem Finger auf die Brust, direkt oberhalb seines heftig pochenden Herzens. “Und ich will, dass sie von dort kommt und nicht aus deinem harten Holzkopf.”
Eine Hand in die Hüfte gestemmt, das Kinn emporgestreckt, sah Dana verdammt entschlossen aus. Nein, diesmal würde er ihr nicht davonkommen. Also gut, dachte er, bringen wir’s hinter uns. “Wenn beide Eltern taub sind, ist das nichts, worüber man gern redet. Man ist ständig auf der Hut. Denn die meisten Leute verstehen es nicht.”
“Und du hast geglaubt, ich würde es auch nicht verstehen?” Dana war sichtlich verletzt.
“Wenn ich das wirklich geglaubt hätte, hätte ich dich nicht mit hergebracht.”
“Aber warum konntest du es mir nicht sagen?”
“Ich wollte, dass du meine Eltern siehst, sie kennenlernst. Und verstehst, wer ich bin.”
Langsam schüttelte sie den Kopf. “Wie kann ich das? Ich glaube, du kennst dich ja selbst nicht.”
“Doch, allerdings.”
Dana nahm seinen Arm. “Dann sag’s mir. Lass mich an deinen Gedanken teilhaben. Von mir habe ich dir schon so viel erzählt.”
“Du wirst es nicht wissen wollen.”
“Doch, ich will es wissen.”
Sie ließ ihm keine Wahl. Er drehte sich wieder um, damit er sie wenigsten nicht ansehen musste, und umklammerte das Geländer. “Ich weiß, was ich bin, Dana. Ein Mann, der mit niemandem eine Zukunft aufbauen kann. Ich dachte, wenn du erst einmal siehst, woher ich komme, wie ich aufgewachsen bin, dann würdest du verstehen, warum ich mich auf keine feste Bindung einlassen kann.”
“Nein, das verstehe ich nicht. Deine Eltern lieben dich, Will. Und es ist ganz offensichtlich, dass sie auch einander sehr lieben. Möchtest du eine solche Beziehung nicht auch für dich?”
Will räusperte sich, weil seine Kehle plötzlich wie zugeschnürt war. “Wünschen würde ich sie mir schon”, sagte er rau.
“Warum tust du dann nichts dafür?”
“Weil ich nicht kann.”
Dana trat neben ihn und lehnte sich mit der Hüfte ans Geländer. “Warum denn nicht? Glaubst du, dass eine Frau dich wegen deiner Eltern nicht lieben könnte? Schämst du dich deiner Eltern?”
Schuldbewusst sah er sie an. “Nein, verdammt, ich schäme mich nicht!” Doch das war nur die halbe Wahrheit. Will atmete tief ein und aus. “Meine Eltern haben für mich mehr getan als die meisten. Sie haben sich immer bemüht, es mir so leicht wie nur irgend möglich zu machen. Meine Mutter hat extra Stunden genommen, um besser sprechen zu lernen. Damit meine Freunde …” Er brach ab. Die Wunde schmerzte immer noch, auch noch nach all den Jahren.
“… sich nicht über sie lustig machen?”, beendete Dana den Satz an seiner Stelle.
“Ja, so ungefähr. Aber egal, was sie getan haben, es hat nichts genützt. Ich habe nirgendwo reingepasst. In der Welt der Hörenden wurde ich nicht akzeptiert, und in der Welt meiner Eltern, von ihren tauben Freunden, auch nicht.”
Dana berührte leicht seinen Arm, zog ihre Hand aber schnell wieder zurück. “Also warst du im Niemandsland gefangen.”
“Bis ich allein losgezogen bin. Da hat dann niemand etwas gewusst. Da war ich bloß der gute alte Will, ein nichtsnutziger Cowboy, der sich wie der Wind hierhin und dorthin treiben ließ.”
“Und versuchte, seinen Platz in der Welt zu finden.”
“Genau.”
“Und, ist es dir gelungen?”
Will senkte den Blick. “Ich weiß nicht.”
“‘Bindung’ ist eigentlich gar kein so schmutziges Wort.”
“Es sind nicht die Bindungen, die ich vermeide, Dana.” Eindringlich blickte er sie an. “Da steckt noch viel mehr dahinter, wovon du nichts weißt.”
“Ich weiß, dass du keine Kinder haben und dich nirgendwo fest niederlassen willst.”
“Ich kann es nicht riskieren, Kinder zu haben”, betonte er. “Es ist nicht so, dass ich keine möchte.”
Verständnislos sah Dana ihn an. Er musste also deutlicher werden, die ganze harte Wahrheit aussprechen.
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