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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Phoebe griff in die Tasche ihres Bademantels und zog eine runde Büchse hervor, die Lia nicht erkannte. Als sie sie aber in den Händen hielt, entpuppte sich das Objekt als eine gelbe Dose ›Dean Swift’s‹-Schnupftabak. Lia nahm den Deckel ab, schnupperte an den braunen Körnchen und kämpfte gegen den Niesreiz.
    »Pschuuuh«, machte sie. »Warum geben Sie mir das, Phoebe?«
    »Es lag ganz hinten in der Kommodenschublade Ihrer Mama, Dr. Lia, und ich dachte mir, Sie würden’s haben wollen.«
    »Das hat nicht meiner Mutter gehört, Phoebe. Und selbst wenn, wäre es kaum nötig gewesen, es mir zu geben.« Lia legte die Dose auf einen Nachttisch. Hatte die verrückte Phoebe Flack sie etwa deshalb von der Arbeit weggelockt?
    »Und noch etwas«, sagte Phoebe. Sie drehte das Handgelenk und öffnete den Käfig ihrer Finger. Jetzt sah Lia das goldene Intaglio-Profil eines Fisches auf einer wunderschönen Reversnadel. Der Anblick ließ ihr Herz stocken. Im nächsten Augenblick, als habe sie soeben einen langen Dauerlauf beendet, begann es zu hämmern.
    »Woher haben Sie die?«
    »Ein Hausmädchen hat sie beim Putzen in der Kapelle gefunden. Sie hat sie im Schwesternzimmer abgegeben. Sie sagten, wer das verlorene Schmuckstück beschreiben kann, bekommt es zurück. Ich hab’s mir geben lassen und behalten. Aber als Ihre Mama starb, bekam ich Gewissensbisse. Deshalb gehört es jetzt wieder Ihnen, Dr. Lia. Können Sie mir verzeihen, was ich getan habe?«
    Lia war wie betäubt. »Ja. Natürlich.«
    Benommen ging sie durch die Aprilsonne zu ihrer Praxis zurück. Cal hatte einmal gesagt: »Vielleicht hattest du immer schon zwei.« Und sie hatte geantwortet: »Bis heute morgen wußte ich nicht mal, daß ich eine habe.«
    Na, jetzt hatte sie auf jeden Fall zwei. Freilich, die zweite hatte Cal bei sich auf dem Mond, aber die erste Nadel – die, die sie verloren hatte – umklammerte sie jetzt fest genug, um sich ein Fischzeichen ebenso unauslöschlich in die Handfläche zu brennen wie die, die Cal den Rindern in die Flanken brannte.
    Kai hatte die Nadel scherzhaft als Nadel im Heuhaufen bezeichnet und sie davor gewarnt, sie zu verlieren; aber jetzt bangte Lia vor dem besorgniserregenden Rätsel zweier Nadeln im Heuhaufen – war das möglich? Und war es wahrscheinlich? – und bemühte sich, eine Lösung für dieses Problem zu finden.
    In der Praxis erfuhr sie von Shawanda, daß Miss Grace immer noch nicht erschienen sei, daß aber Suzi Bonner angerufen habe, um sie für Samstag abend zum Essen einzuladen.
    »Formell? Informell? Wie?«
    »Ich schätze, eher abgebretzelt als aufgebretzelt, Ma’am. Miss Suzi sagte, es wär alles vorbereitet, um vor dem Essen ein bißchen zu reiten.«
    »Na gut. Danke.«
    Lia ging in ihr Sprechzimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Sie legte die Fischbrosche auf ihre Löschblattunterlage und starrte sie an. Sie war real. Sie funkelte im Sonnenlicht, das durch die Blenden hereinfiel, und der Abdruck war in ihrer Hand wie ein seraphisches Genehmigungssiegel. Warum also fühlte sie sich so wuschig und verwirrt?
     
    Der Versammlungs- und Speiseraum in der B-Kuppel ist mit Pflanzen behängt, was ihm die falsche Fröhlichkeit einer Sauna in einer vorgeschobenen Gefechtszone verleiht. Der grelle Kontrast zwischen dunkelrot überhauchten Caladium-Blättern und minzgrünen Farnen in einer Hülse aus Fels und Aluminium erklärt vielleicht zum Teil, weshalb Gordon Vear so nervös ist. Andererseits wird nun, einen Tag nach der Landung des Shuttles Daisy Duck auf dem Lunament-Platz bei den Sonnenkollektoren, der Präsident zu den Bürgern von Von Braunville sprechen, und Vear hat eine unbehagliche Ahnung von dem, was der Kern seiner Rede sein wird.
    Fast alle Bewohner der Basis drängen sich im Speiseraum; nur unabkömmliches Kommunikationspersonal und die Dozer-Jockeys, die den Plagioklas-Feldspat für die O 2 -Anlage fördern müssen, sind abwesend. Als er mit Dahlquist hereinkommt, sieht Vear den ›Cowboy‹ Pickford, der auf einem Stuhl neben dem Podium sitzt, und neben ihm den episkopalen Himmelspiloten Joshua Marlin.
    Der Anblick des Bischofs beruhigt den Major. Marlin ist natürlich kein Katholik, aber er ist näher dran als Easson, der baptistische Arzt und Kaplan, der jetzt an Bord der Checkers auf dem Heimweg zur Erde ist. Und wenn es zur Sache geht, wird Marlin ihnen helfen, die Geschichte abzureagieren und diese durcheinandergewürfelte Zeitlinie wieder zurechtzurücken. Wie, das weiß Vear

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