Dieser Mann ist leider tot
Gravitationskräften erzittern ließ, die zu meistern Vear immer noch nicht restlos gelernt hat), hatte Pickford ehrlich Spaß an der zusätzlichen Geschwindigkeit. Er brüllte: »Gib ihr die Sporen, Major!«, während alle anderen, Marlin eingeschlossen, stumm wie die Zisterzienser blieben.
Vorn stehen die Leute jetzt auf. Vear sieht den Bischof, Pickford, Franciscus, Gubarew, Nemow und viele andere, die sich nacheinander erheben; bald stehen alle im Saal. Commander Logan kommt aus der Küche. Der Präsident erscheint einen oder zwei Schritte hinter ihm mit seinen Geheimdienst-Leibwächtern, die heute beide ihre grünen Baretts und teure Zivilanzüge tragen. Nixon hebt die Arme über den Kopf, formt mit den Fingern das V für Victory und lächelt gepreßt. Griegs und Robinson stellen sich wie Buchstützen beiderseits des Podiums auf; neben jedem hängt ein Korb mit Farnkraut.
›Hail to the Chief!‹ bricht ab, alles setzt sich, Commander Logan stellt den Präsidenten vor, und der steigt hinauf, um zu sprechen. Vear beugt sich vor; er ist neugierig darauf, zu hören, ob Nixons Worte irgendein Echo dessen enthalten, was er in seiner lunaren Entrückung von ihm gehört hat.
Nixon beginnt zu reden. Er sagt vieles von dem, was er schon bei seinen TV-Übertragungen von Bord der Checkers gesagt hat. (Merkwürdigerweise wird diese Rede nicht nach Hause übertragen – allerdings kann das gesamte nicht in der Halle versammelte Personal der Basis es über Radio hören.) Er sei gekommen, um den Niedergeschlagenen Mut zu machen, Von Braunville einmal aus erster Hand zu sehen und eine Nachricht zu überbringen, die für alle NASA-Mitarbeiter von größter Bedeutung sei.
»Und die Russen?« fragt Vear flüsternd Dolly. Gubarew, Romanenko, Nemow und Schikin sind auf Einladung der NASA auf dem Mond, aber sie sind sowjetische Wissenschaftler und Militärs.
Dahlquist zuckt die Achseln.
Nach kurzer Zeit hat der Präsident sich warmgeredet, und Vear merkt, daß er nach jeder größeren thematischen Überschrift sagt: »Ich bin ein Von Braunvilleaner!« Diesen Schnörkel hat er aus John F. Kennedys ›Ich bin ein Berliner!‹-Rede aus den frühen sechziger Jahren geklaut. Fast alle Anwesenden spüren die Gelegenheit für einen gemeinschaftlichen Refrain und stimmen bekräftigend mit ein: »Ich bin ein Von Braunvilleaner!« Applaus begleitet dieses Prahlen, und jetzt erheben sogar die Russen die Stimmen in diesem Chor. Vear hat Mühe, selbst nicht auch mit einzustimmen; irgendwann allerdings beginnt er sich zu fragen, weshalb er sich verpflichtet fühlt, zu widerstehen.
Der Präsident macht eine Pause. Die ganze Zeit über sind seine Gebärden von jener spastischen – beinahe roboterhaft mechanischen – Beschaffenheit gewesen, wie sie für sein Redeverhalten typisch ist. Als er nun wortlos vor seinen Mit-Von-Braunvilleanern steht, werden seine Augen glasig, und seine Backen blasen sich sichtlich auf, als habe ihn etwas im Saal geärgert. Vear spürt, wie die Haare in seinem Nacken sich aufrichten und seine Handflächen kalt werden.
»Meine Mit-Von-Braunvilleaner«, sagt der Präsident. »Innerhalb der nächsten sechs Monate werden die Vereinigten Staaten eine bemannte Expedition zum Mars schicken. Vier Personen aus Ihrer Mitte sind für diese außergewöhnliche Mission ausersehen worden. Ihre Nachnamen – ich nenne sie in alphabetischer Reihenfolge, nicht nach ihrem Rang – lauten: Berry, Franciscus, Hoffman und Vear.«
Betäubtes Schweigen. Dann erheben sich die Kollegen der Erwählten wie ein Mann und brechen in Beifall aus. Vear hat das Gefühl, daß sein Schädel sich aufbläht wie ein Blasebalg, und nichts an diesem Augenblick erscheint ihm real. Er hat wieder Halluzinationen. Oder nicht? Dollys Hand auf seiner Schulter hat doch Substanz, oder? Das Hurra seiner Kameraden ist doch spürbar, oder?
Aber interessiert es irgendeinen von ihnen, daß er nicht zum Mars will? Weiß einer von ihnen, daß diese unwahrscheinliche Szene eine Parodie auf die bestürzende Offenbarung des Präsidenten während seiner lunaren Fugue ist?
Selbstverständlich nicht. Woher auch?
Das Getöse erstirbt. Stühle scharren, als alle sich wieder setzen.
»Normalerweise beraten wir uns natürlich mit unseren Astronauten, um festzustellen, was sie von einer gefährlichen Mission halten, aber in diesem Fall haben wir unsere Jungs auf der Basis von Dienstakten, Psychoprofilen und Kollegeneinschätzungen ausgewählt. Und diese Burschen waren die
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