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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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arglose Intelligenz ihres sibirischen Husky Viking.
    »Sind Sie damit einverstanden?« fragte Lia, als Shawanda zu Ende gelesen hatte. »Meinen Sie, das können Sie unterschreiben?«
    »Gegen die Bedingungen habe ich nichts einzuwenden, wenn Sie das meinen.«
    »Gut. Dann unterschreiben Sie einfach hier mit Ihrem Namen.« Lia langte über den Schreibtisch und klopfte mit einem glänzenden roten Fingernagel auf die entsprechende Stelle.
    »Das Unterschreiben ist eine andere Sache, Dr. Bonner«, sagte der Mann. Er nahm den Stift, den Shawanda ihm anbot, und runzelte konzentriert die Stirn. »Mit welchem Namen soll ich denn unterschreiben, und welches Alphabet soll ich dazu benutzen?«
    Oh, Scheiße, rief Lia lautlos aus. Der Arme weiß nicht, wer er ist, er hat vergessen, wie man liest, und folglich hat er auch vergessen, wie man schreibt. Gleichwohl hat er die Wörter auf meinem Fragebogen als – für ihn – unlesbare Textproben aus dem koine- Griechischen identifiziert. Na, wie kann er zu einer so spezifischen Identifikation des römischen Alphabets gelangen, wenn er außerstande ist, das koine- Griechisch zu lesen, für das er es hält? Es könnte passieren, daß ich mein eigenes Gedächtnis lösche, wenn ich versuche, die … Amnesie dieses Burschen auszuloten.
    »Er könnte ein X auf die Formulare malen«, schlug Shawanda vor. »Meine Oma hat ihre Versicherungspolicen erworben, indem sie einfach ein X auf die Papiere malte.«
    »War das legal?« fragte Lia.
    »Legal genug, daß sie die Prämien zahlen mußte.«
    »Ich mach’s«, sagte der Mann. »Ein X kann ich mindestens genausogut wie jeder andere. Passen Sie nur auf.« Er malte ein großes X unten auf das Formular und studierte es dann, als könne es sich in eine flammende Letter mit messianischen Implikationen verwandeln, ein Symbol, heilig und machtvoll. »Das ist ein Chi«, sagte er. »Der erste Buchstabe von Christus.«
    Lia ignorierte die messianischen Implikationen dieser Bemerkung. »Darf ich Sie dann Kai nennen?« fragte sie. »Das hat einen authentisch walisischen Klang, und es ist sehr viel weniger schaurig als ›Mr. X‹.«
    »Nennen Sie mich, wie Sie wollen. Solange Sie dabei nur lächeln.«
    »Okay, dann also Kai, und wir sind startbereit.« Lia schickte Shawanda hinaus, und Kai – der Name paßte irgendwie zu ihm – schob den Hintern im Sessel zurück, klappte die Fußstütze wieder hoch und faltete die Hände vor dem Bauch. Zu seiner Rechten, auf einem Fernsehtablett, stand eine Tasse Ersatzkaffee in bequemer Reichweite.
     
    »Wie sind Sie hergekommen?«
    »Mit dem Taxi aus Atlanta. Hab zum Fahrer gesagt: ›Warm Springs‹, und er hat mich mit Vergnügen hergefahren; das Taxameter hat die ganze Zeit getickt.«
    »Sie wohnen aber nicht in Atlanta, oder?« Lia konnte es sich nicht vorstellen. Kais Akzent klang mehr wie Cals, nicht wie der ihres Bruders Jeff. Wenn er doch in Atlanta wohnte, dann war er aus einem anderen Teil des Landes dorthin gezogen, entweder aus den Rocky Mountains oder aus dem Fernen Westen.
    »Das Taxi hab ich am Flughafen genommen. Ich war gerade gelandet.«
    »Von wo, Kai?«
    »Ich entsinne mich nicht. Da scheint meine Amnesie anzufangen. Wie weit sie zurückreicht …« – er zuckte die Achseln – »tja, da wissen Sie genausogut Bescheid wie ich. Wahrscheinlich besser.«
    »Hatten Sie Gepäck?«
    »Weiß ich auch nicht. Wenn ja, dann werden sich die Transportarbeiter jetzt königlich damit amüsieren.«
    »Wieso haben Sie Warm Springs gesagt?« Du hättest ein hübsches Sümmchen sparen können, dachte Lia, wenn du mit dem Greyhound gefahren wärst oder ein Auto gemietet hättest.
    »Ich wußte, daß Franklin D. Roosevelt immer herkam. Ich wollte den Ort sehen, wo er die Quellen besucht hat. Ich dachte mir, es wäre von tiefer Bedeutsamkeit – für mich, verstehen Sie? –, wenn ich mich hier umsehe.«
    »Sie haben Roosevelt bewundert?«
    »Natürlich. Wie heißt der, der jetzt auf seinem Stuhl sitzt?«
    »Der Präsident? Richard Nixon.«
    »Genau. Und das ist doch kein Vergleich. Kein Vergleich zwischen Nixon und FDR. Der eine kämpfte – aus Ehrgeiz, zugegeben – für die kleinen Leute, und der andere kämpft – auch aus Ehrgeiz – zu seinem eigenen höheren Ruhm. Im Ehrgeiz sind sie gleich, aber völlig verschieden, wenn es darum geht, wie sie auf die Welt wirken.«
    Lia hatte den kleinen Kassettenrecorder eingeschaltet. Sie hatte es mit der Zustimmung des Patienten getan – Kais ›X‹ war Ausdruck der

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