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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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anzuhängen. ›Kai‹ würde wahrscheinlich keinen Eindruck auf sie machen …
    »Was ist denn besser an Ihrer besseren Welt, Kai?« Das Positive betonen, dachte sie. Vielleicht beruhigt ihn das.
    »Zunächst einmal ist Richard Milrose Nixon neutralisiert. Ich glaube nicht, daß er gestorben ist oder im Exil oder so was, aber er läuft auch nicht mehr Amok wie ein Roboter, der seinen Betreibern weggelaufen ist und den niemand abschalten kann.«
    »Und das macht die Dinge besser?«
    »Ja. Es ist wesentlich, aber es ist nicht – wie soll ich es sagen? – es hängt nicht alles an Nixon. Es ist nur die Eliminierung einer Gedankenverfassung, die anderen Gedankenverfassungen keine Legitimation zugesteht.«
    Gott sei Dank hat er nicht gesagt, daß er den Präsidenten tot gesehen hat, denn dann würde jeder, der sich dieses Band später anhört, vermuten, er habe gedroht, den Präsidenten zu ermorden.
    An den Fingerspitzen spürte sie eine beunruhigende Kälte. »Kai …«
    »Früher einmal, da hatten wir ein gesichertes, kontrolliertes Gleichgewicht. Es stand in der Verfassung. Was ist daraus geworden?«
    »Bitte sagen Sie mir eines, Kai. Wollen Sie, daß ich Ihnen helfe, mit diesem stereographischen Phänomen, das Sie mir beschrieben haben, zurechtzukommen?«
    »Scheiße, nein«, sagte der Mann erbost. »Sie sollen mir helfen, meine Amnesie zu kurieren. Und dann sollen Sie mir helfen, die bessere Welt so über der schlechten in Fokus zu bringen, daß sie sie aufhebt.«
    »Sie suchen keine Psychotherapeutin«, sagte Lia vorwurfsvoll, und sie spürte ein Beben in ihrer Stimme.
    »Nicht?« Kais Miene zeigte intelligente Ratlosigkeit.
    »Sie suchen eine rasante Sozialreformerin oder eine Revolutionärin. Ich bin weder das eine noch das andere.«
    »Wer ist das schon?« Kai schob seine Tasse – der Kaffee mußte inzwischen kalt geworden sein – auf das Tablett und schlang die Arme um die Schultern, als friere er. »In Wirklichkeit habe ich Sie überhaupt nicht gesucht, Dr. Bonner. Auch nicht FDRs ›Little White House‹. Was ich gesucht habe, war eine Emanation. Einen Fokus. In Ihrem Schild schien das zu schwingen, was ich suchte. Also kam ich herein. Ich verstehe das genausowenig wie Sie.«
    »Eine Emanation?« Lia war sprachlos.
    »Sie sind verheiratet, ja?«
    »Ja. Aber ich weiß nicht …«
    »Haben Sie ein Foto von Ihrem Mann bei sich?«
    Halte ihn bei Laune, dachte Lia. Sie hatte ein Foto von Cal im Brieftaschenformat in der Handtasche, die an ihrem Schulterriemen am Garderobenständer hing. Sie ging hin und reichte Kai das Bild einen Augenblick später.
    »Das ist es«, sagte er. »Ihr Mann ist der Grund, weshalb ich gekommen bin. Vielleicht ist er sogar die Linse, die meine Stereographie fokussiert.«
    »Cal?« Was hatte Cal denn mit Kai zu tun, oder Kai mit Cal? Die Erklärungen des Mannes vernebelten die Sache, statt sie zu erhellen. Seine Wahnideen hatten die verrückte Färbung derer angenommen, die Anita Arrazi plagten, Lias löffelschwingende Röntgen-Deflektorin in Waisenburg. Sie nahm Kai das Foto weg und kehrte hinter ihren Schreibtisch zurück.
    »Erzählen Sie mir von Ihrem Mann«, schlug Kai vor.
    »Kommt nicht in Frage«, sagte Lia. »Mein Familienleben – meine Angehörigen – nichts davon ist für unsere Konsultationen relevant.«
    »Was wäre, wenn ich in Sie verliebt wäre oder wenn ich Ihren Mann haßte oder wenn ich glaubte, Ihr Bruder wollte mich umbringen? Wäre das nicht relevant?«
    »Nicht unbedingt. Sie greifen nach Strohhalmen, und wir können nicht bis zu …«
    »Es wäre relevant für das Konzept, das ich von mir selbst habe. Für meine Wahrnehmung meiner eigenen geistigen Gesundheit.«
    Das ist unerhört, dachte Lia milde. Ich kann für diesen Menschen nichts tun. Wie bin ich auf die Idee gekommen, ich könnte es? Aus Verzweiflung wahrscheinlich. Jedenfalls gehört er in eine Klinik. Vielleicht habe ich es hier mit jemandem zu tun, der gefährlich ist, für sich selbst und für andere; wenn ich in diesem Augenblick eine Aussage über seinen Geisteszustand abgeben müßte, würde ich zu einer solchen Entscheidung neigen – zu der Entscheidung, ihn einzuweisen.
    Oder? überlegte sie. Selbst in seiner Wut und Irrationalität strahlt er irgendwie eine entwaffnende, komischprickelnde Vernünftigkeit aus.
    Unvermittelt wechselte Lia die Taktik. »Nach allem, was Sie wissen – haben Sie je versucht, sich umzubringen?«
    »Ich bin Amnesiker, Doktor. Ich erinnere mich nicht.«
    »Sie

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