Dieser Mann macht mich verrückt
bis Kansas City durchhalten würde, das war genauso ungewiss wie die Frage, was sie tun sollte, wenn sie dort ankam.
Anscheinend war die Biberlady erst spät ins Bett gegangen, denn am nächsten Morgen präsentierte sie ihm die fertige Skizze. Sie wartete bis zum ersten Stopp an einer Trucker-Station in Kansas, bevor sie ihm das vollendete Werk zeigte. Verdutzt starrte Dean das Porträt an. Kein Wunder, dass sie pleite war.
»Wenn ich mehr Zeit hätte« - Blue unterdrückte ein Gähnen -, »würde ich ein Aquarell malen.«
Da sie mit ihrem Bleistift schon genug Schaden angerichtet hatte, war‘s vielleicht ganz gut so. Klar, sie hatte sein Gesicht gezeichnet, aber mit völlig falschen Zügen die Augen standen zu nah beisammen, der Haaransatz war zu weit nach hinten gerutscht, und ein paar zusätzliche Pfunde verliehen ihm ein Doppelkinn. Am allerschlimmsten war, dass sie seine Nase verunstaltet hatte, die jetzt wie zerquetscht aussah. Nur selten fehlten ihm die Worte, aber beim Anblick dieses Porträts war er sprachlos.
Blue biss in ihren Donut mit Schokoladenglasur. »Faszinierend, nicht wahr? Wie leicht hättest du mit einem anderen Gesicht zur Welt kommen können, Dean ...« In stillschweigendem Einvernehmen waren sie zu einer vertraulicheren Anrede übergegangen.
Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Das hatte sie absichtlich getan. Aber sie erschien ihm eher nachdenklich als selbstgefällig. »Leider finde ich nur selten eine Gelegenheit, um ein bisschen zu experimentieren«, erklärte sie. »Dafür warst du das ideale Objekt.«
»Oh, ich bin dir gern zu Diensten«, erwiderte er trocken.
»Natürlich habe ich noch eine andere Skizze angefertigt.« Blue nahm ein zweites Blatt aus der Mappe, die sie in die Raststätte mitgenommen hatte, und warf es achtlos auf den Tisch neben Deans unberührte Muffins. Das Bild zeigte ihn, wie er sich auf dem Bett lümmelte, ein Knie angezogen, das Hemd über der Brust geöffnet. Genau die Pose, die er ausgesucht hatte. »Reizvoll«, meinte sie. »Aber etwas langweilig, nicht wahr?«
Nicht nur langweilig. Auch ein bisschen anrüchig - die Attitüde zu berechnend, die Miene zu dreist. Also hatte sie ihn durchschaut. Das missfiel ihm. Trotzdem verstand er noch immer nicht, warum sie ihm letzte Nacht eine Abfuhr erteilt hatte. Wirkte er nicht mehr auf Frauen? War das möglich? Oder vielleicht hatte er diese besondere Wirkung niemals ausgeübt. Weil die Frauen bereitwillig in seine Armen fielen, hatte er keine Erfahrungen in der Rolle des Eroberers gesammelt. Das musste er ändern. Er studierte wieder die erste Zeichnung, und während er seine entstellten Züge betrachtete, überlegte er, welches Leben er geführt hätte, wäre er mit dem Gesicht geboren worden, das Blue im verpasst hatte. Kein lukrativer Werbevertrag bei End Zone, das stand fest. Schon in der Kindheit hatte ihm seine attraktive äußere Erscheinung alle Türen geöffnet. Theoretisch sah er das ein. Und dieses Porträt wies ihn ganz konkret darauf hin.
»Damit bist du unzufrieden, nicht wahr?« Blues Miene verdüsterte sich. »Ich hätte wissen müssen, dass du es nicht begreifst. Aber ich dachte ... Schon gut«, fügte sie hinzu und griff nach dem Blatt.
Bevor sie die Zeichnung berühren konnte, entfernte er sie aus ihrer Reichweite. »Du hast mich nur überrascht, das ist alles. Wahrscheinlich werde ich‘s nicht über meinen Kamin hängen. Ich bin nicht unzufrieden. Irgendwie ist es - provozierend. Und wie ich gestehen muss, gefällt es mir. Sogar sehr.«
Mit schmalen Augen musterte sie ihn, als wollte sie herausfinden, ob er das ernst meinte. Je länger er mit ihr zusammen war, desto heftiger erregte sie seine Neugier.
»Allzu viel hast du mir nicht von dir erzählt, Blue. Wo bist du aufgewachsen?«
»Da und dort«, antwortete sie und brach ein Stück von ihrem Donut ab.
»Nun komm schon, nach dieser Fahrt werden wir uns nicht wiedersehen. Also spuck deine Geheimnisse aus.«
»Ich heiße Blue. Und wenn du über Geheimnisse reden willst - fang du damit an.«
»Da gibt‘s nicht viel zu sagen. Zu viel Geld. Zu berühmt. Zu attraktiv. Das Leben ist so unfair.«
Damit wollte er sie zum Lächeln bringen. Stattdessen starrte sie ihn so aufmerksam an, dass er sich unbehaglich fühlte.
»Jetzt bist du dran«, forderte er sie hastig heraus.
Erst einmal aß sie ihren Donut. Damit ließ sie sich viel Zeit, und er vermutete, nun würde sie überlegen, was sie ihm verraten sollte. »Also, meine Mutter heißt
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