Dieser Sonntag hat's in sich
die sich mit solchen Fahrten abgefunden hätten, ohne eine
Erklärung zu verlangen. Ich selbst halte zwar einen gewissen Freiraum auch in
der engsten Beziehung für wichtig, aber an Jane Wilkonsons Stelle hätte ich
Frank gnadenlos gepiesackt, bis er mir alles erzählt hätte. Ich fragte: »Wann
kommt er gewöhnlich zurück?«
»So daß er am Montag rechtzeitig zur
Arbeit kommt. Er kommt nie zu spät, er scheint nie getrunken zu haben...«
»Wie lange geht das schon so?«
»Nicht lange. Letzten Sonntag das
fünfte Mal. Ich weiß es, denn am Sonntag vor sechs Wochen sind wir ins Aquarium
in Monterey gegangen — nur wir beide, weil ich Geburtstag hatte. Das war das
letzte Mal, daß wir richtig Spaß zusammen hatten.« Sie schaute mir voll ins
Gesicht, ihre braunen Augen waren schrecklich ernst. »Fünf Wochen ist nicht so
lang. Darum habe ich beschlossen abzuwarten, was passiert.«
»Glauben Sie, daß ihn irgend etwas
belastet, daß er wegfahren muß, um darüber nachdenken zu können?«
Sie schüttelte den Kopf. Aber das war
keine Verneinung, sondern Ausdruck ihrer Entmutigung. »Es muß wohl so sein,
aber er spricht nicht mit mir darüber. Es fällt uns nicht leicht, über Dinge zu
sprechen, die wichtig sind. Aber er ist erst seit letztem Jahr so, etwa um die
gleiche Zeit...« Und dann wurde sie plötzlich ganz still, als ob ihr etwas bewußt
geworden wäre, das ihr bis dahin entgangen war.
»Etwa zur Zeit ihres Geburtstags?«
»Nein«, sagte sie mehr zu sich selbst
als zu mir. »Das kann nicht sein.« Sie blieb weiter in sich selbst versunken
sitzen, dann schüttelte sie den Kopf, als ob sie sich wachschütteln müsse.
»Was wollten Sie gerade sagen, Mrs.
Wilkonson?«
»Nichts, das irgendwelchen Sinn
ergibt.« Aber Sinn oder Unsinn — was sie gedacht hatte, verstörte sie
schrecklich. Sie warf ihre Zigarette auf den Boden und zertrat sie zornig mit
der Spitze ihres Turnschuhs.
Ich versuchte eine andere Taktik. »War
Ihr Mann in der letzten Zeit schlecht gelaunt? Ist er mit Ihnen oder den
Kindern zornig geworden?«
»Er hat uns noch nie weh getan.«
Das hieß ja. Aber nun hatte sie sich
daran erinnert, daß ich in einer quasi offiziellen Mission hier war, denn ihre
Stimme klang härter, als sie sagte: »Was soll das denn überhaupt mit dem
angeblichen Unfall zu tun haben?«
Ich erzählte ihr von dem gewalttätigen
Ausbruch, den der »Zeuge« bei Cost Plus beobachtet hatte. Dabei fühlte ich mich
ein bißchen wohler, denn dies war die Wahrheit, und die sollte sie wissen.
Jane Wilkonson studierte einen
Augenblick lang den Boden, dann seufzte sie. »Das überrascht mich nicht.«
»Hat es andere solche Vorfälle
gegeben?«
»Nicht mit dem Auto, nein.«
»Womit dann?«
Sie zögerte. Offensichtlich mußte sie
mit jemandem — mit einer Frau — sprechen, sonst hätte sie mir nicht schon so
viel erzählt. Während sie noch schwieg, stellte ich mir ihr Leben hier vor:
Selbst von den kleinen Dörfern war sie durch Kilometer und Aberkilometer
Weideland getrennt; sie stand über den Frauen der Männer, die für ihren Mann
arbeiteten, und unter den Johnstone-Frauen — falls es welche gab. Und sie hatte
einen Mann, der über »Dinge, die wichtig sind« nicht sprechen konnte; sie war
umgeben von Kindern, die zu klein waren, um zu verstehen, warum Mami bekümmert
war.
»Es muß wohl eher heißen: mit wem.
Frank hatte in letzter Zeit mehrmals Auseinandersetzungen mit Mr. Johnstone — Hal
Johnstone. Ziemlich heftige Auseinandersetzungen, habe ich gehört.« Das
erklärte, warum Johnstone mich gewarnt hatte, vorsichtig zu sein, wenn ich mit
Wilkonson sprach. »Worüber?«
»Wie soll ich das wissen? Die
Rancharbeiter und ihre Frauen haben dafür gesorgt, daß ich es erfahre, aber sie
waren ganz vorsichtig bei dem, was sie sagten.« Ihr Mund zuckte, und sie warf
den Zigaretten einen zornigen Blick zu, so als ob sie und nicht das Gespräch
für den schlechten Geschmack in ihrem Mund verantwortlich wären.
»Niemand hier sagt mir je etwas«, sagte
sie. »Die doofe Jane — das denken sie von mir. Die Zuchtstute, die sich nur um
ihre Kinder kümmert. Ich bin Franks Frau und Randys Mutter und so weiter. Aber
wenn man Frank und Randy und die anderen wegläßt, dann bin ich niemand. Und
deshalb erzählt mir niemand etwas.«
Nach dieser bitteren Litanei hatte ich
nicht die Nerven, sie weiter zu befragen. Ich sagte — und ich meinte es
wirklich: »Mrs. Wilkonson, es tut mir leid, wenn ich Sie aufgeregt oder
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