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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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unserem Haus zur Straße führt, lag überall Laub und Schmutz. Der Schnee begann zu tauen, und der Hausmeister hatte noch nicht sauber gemacht. Drüben bei Britta brannte noch Licht, aber es war ja auch noch keine Schlafenszeit. Ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster stand, aber als Sina kam, um von ihrem Wassernapf zu trinken, nahm ich sie hoch und streichelte über ihr Fell. Dann schauten wir gemeinsam nach draußen.
    »Was machst du da?«, hörte ich Mama hinter mir.
    »Ich warte auf Lars«, sagte ich. »Wir haben doch Freitag.«
    »Aber Lars kommt heute nicht, Daniel. Ihr habt doch vorhin erst telefoniert. Weißt du nicht mehr?«
    Ich erinnerte mich. Lars hatte erzählt, dass er krank im Bett liegt. Er fragte mich sogar, wie das Medikament hieße, das Mama ihm empfohlen hatte, und ich antwortete: Contramutan D.
    »Lars kommt heute nicht, weil wir doch nächste Woche zu ihm nach Berlin fahren.«
    Jetzt war ich aus drei Gründen traurig:
Wegen den toten Kindern
Weil Lars krank ist
Weil Lars heute nicht kommt
    Ich vermisste ihn so sehr. Er war jetzt schon zwei Wochen nicht hier. Hoffentlich lässt er mich nicht im Stich, dachte ich. Als ich Mama von meinen Sorgen erzählte, beruhigte sie mich sofort wieder und sagte, dass wir doch jeden Tag mehrmals miteinander telefonieren würden, entweder mit dem Handy, auf dem Festnetz oder über Skype, und auf einen Schlag war das Gefühl schon nicht mehr so schlimm. Es ist gut, wenn man jemanden hat, der einen in traurigen Momenten an die schönen Dinge erinnert. Von selbst kommt man ja nicht drauf.

28
    Mama war wegen der Weihnachtsfeier schon die ganze Woche aufgeregt. Ich auch. Aber nur ein bisschen. Als wir ins Hospiz kamen, waren bereits viele Leute da. Hauptsächlich Mütter und Kinder und viele ehrenamtliche Mitarbeiter. Einige kannte ich, einige nicht. Ester hatte als Ehrengast den Sänger einer Band eingeladen, die ich nicht kannte – Bro’Sis . Ich ließ mir von ihm trotzdem zwei Autogramme geben, eins für Lars und eins für mich. Man konnte ja nie wissen. Der Sänger war nett, weil er immer lächelte. Er hatte seine Tochter mitgebracht. Sie war vier Jahre alt und hieß Pearl (wie das Piratenschiff von Jack Sparrow). Ich spielte mit ihr. Sie war so richtig süß. Ich mag Kinder viel lieber als Erwachsene. Dann kam der Weihnachtsmann herein. Ich erschrak und starrte ihn mit überraschten Augen an. Früher in Südafrika war doch mein Papa, also mein richtiger Vater, immer der Weihnachtsmann. Und dieser Weihnachtsmann sah ganz genauso aus. Ich setzte mich neben Mama und fragte sie, ob das Papa sei, aber sie lachte nur, ohne richtig zu antworten. Während sich die anderen Kinder schon auf ihre Geschenke freuten, musste ich erst noch herausfinden, ob das wirklich mein echter Vater war. Also ging ich zu ihm und zog an seinem Bart. Der Weihnachtsmann war schon ganz alt und hatte einen richtigen weißen Bart – keinen falschen Bart, einen echten. Jetzt hatte ich den Beweis. Mein Vater war es nicht.
    »Du bist aber alt«, sagte ich zu ihm.
    Und der Weihnachtsmann antwortete: »Ho ho ho, das stimmt, mein junger Freund. Ich bin schon über 100 Jahre alt.«
    Ich fragte zurück: »Von wo kommst du denn?«
    Und der Weihnachtsmann antwortete: »Direkt vom Nordpol.«
    Ich wusste nicht, wo das war, aber es hörte sich weit weg an.
    »Bist du der echte Weihnachtsmann?«
    Da fing der Weihnachtsmann an zu lachen.
    »Aber natürlich bin ich der echte Weihnachtsmann, und wenn du dieses Jahr schön artig gewesen bist, habe ich auch ein hübsches Geschenk für dich in meinem Sack.«
    Ich drehte mich um, weil ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte. Mama und die anderen Mütter nickten und klatschten und freuten sich. Ich setzte mich neben Mama, trank einen Schluck von meiner Apfelsaftschorle und dachte: Wahnsinn, der echte Weihnachtsmann ist heute hier. Wie hat Ester das wieder geschafft? Aber sie hatte ja auch Lars zu mir gezaubert, und so konnte ich mir dieses Wunder schon viel besser erklären.
    Wir sangen Weihnachtslieder und sagten Gedichte auf. Ich bewegte aber nur meine Lippen, um meine Stimme zu schonen. Ich dachte schon längst an nächste Woche, wenn ich bei Lars in Berlin sein würde und einen richtigen Song in einem richtigen Tonstudio aufnehmen würde. Das stand nämlich auf unserer Liste. Das hatte ich extra nachgeguckt. Ich überlegte mir, zwei Lieder zu singen, aber Lars fand, ich sollte mich nur auf ein Lied konzentrieren, damit ich nicht alles durcheinander

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