Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
mein Handy. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum einen Bissen von meiner Pizza runterbekam. Lars sagte aber, ich solle etwas essen, also gab ich mir Mühe. Ich schaffte drei Ecken. Den Rest nahmen wir mit zu Simon. Auf ihn freute ich mich schon. Simon ist ein Freund von Lars und von Beruf Musikproduzent. Er nennt sich 7inch , aber ich nenne ihn Simon. Von Kreuzberg bis zu seiner Wohnung waren es viele Kilometer, und wir mussten kreuz und quer durch die Stadt fahren. Mir machte das nichts aus, weil ich vorne sitzen durfte und in den dunklen Himmel schauen konnte. Ich dachte an Mama und schickte ihr in Gedanken einen lieben Gruß. Ich drückte sie auch. Angst hatte ich jetzt keine mehr. Simon und seine Frau Mareen wohnten im obersten Stock, aber Tamtam trug die Sauerstoffflasche, und Lars trug mich. Ich sprang auf seinen Rücken, und er wieherte wie ein Pferd und trampelte, als ob er Hufe hätte – wie beim Gangnam Style. Tamtam schüttelte bloß mit dem Kopf. Ich fand es sehr lustig.
Mareen öffnete uns die Tür. Sie war hübsch und nett und hatte blonde Haare. Simon saß in seinem Tonstudio. Er hatte einen braunen Bart. Ich setzte mich zu ihm auf die weiße Couch und wartete ab. Mareen überreichte mir ein kleines Geschenk, und ich bekam eine Sprite zu trinken. Das war gut. Lars, Tamtam, Mareen und Simon unterhielten sich, und ich durfte mir im Wohnzimmer Berlin – Tag & Nacht ansehen. Als das fertig war, ging ich durch den langen Flur ins Studio zurück und sagte, dass ich jetzt bereit sei. Simon fand das lustig und meinte: »Du machst klare Ansagen. Das gefällt mir.« Ich setzte mich wieder auf meinen Platz auf dem weißen Sofa. An der Wand hingen Goldene Schallplatten von Kool Savas und Xavier Naidoo. Das kannte ich von Lars, aber auf seinen Goldenen Schallplatten stand ein anderer Name drauf.
»Simon, wenn wir jetzt ein Lied aufnehmen«, fragte ich, »bekomme ich dann auch eine Goldene Schallplatte, auf der mein Name steht?«
Alle lachten.
»Das ist nicht so einfach«, grinste Simon. »Um eine Goldene Schallplatte zu bekommen, musst du über 100000 Alben verkaufen.«
»Ist das viel?«, fragte ich.
»Schon.«
»Das schaffen wir«, antwortete ich. »Ich habe die ganze Woche an meinem Lied geübt. Klappt wirklich gut. Du kannst meine Mama fragen. Ich habe ihr jeden Abend vorgesungen.«
»So muss das sein«, lobte mich Simon. »Da kann sich der ein oder andere Rapper ein Beispiel an dir nehmen.«
»Ich möchte, also ich wünsche mir, dass du stolz auf mich bist, weil du dir extra Zeit für mich nimmst. Dafür möchte ich danke sagen, auch von meiner Mama.«
Simon sah mich mit großen Augen an und sagte: »Das mache ich doch gerne.«
Simon erklärte mir genau, was ich zu tun hatte. Er stellte das Mikrophon auf die richtige Höhe, gab mir Kopfhörer und ließ das Playback laufen. Den Text von Peter Maffay hatte ich mir schon zu Hause ausgedruckt und konnte ihn sogar schon ein bisschen auswendig, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und hielt den Zettel beim Singen direkt vor mein Gesicht. Der erste Versuch klappte schon ganz gut, aber ich durfte so lange singen, bis ich nicht mehr konnte. Als ich aufhören wollte, sagte Simon: »Komm, Daniel. Noch einen letzten Durchgang. Gib noch einmal alles, was du kannst. Okay?«
»Okay.«
Ich konzentrierte mich, begann zu singen und dann war das Lied im Kasten. Simon drehte sich zu mir und machte beide Daumen nach oben.
»Hab ich das gut gemacht?«, fragte ich.
»Perfekt.«
»Kannst du das jetzt so hinbiegen, dass ich mich wie ein Star anhöre?«
»Ich geb mir Mühe«, lachte Simon.
»Und jetzt muss Lars singen«, grinste ich.
»Muss ich wirklich?«
»Du musst!«
»Aber das will doch niemand hören«, lachte er. »Du hast das so cool gemacht. Belassen wir es dabei.«
»Nix da!«, sagte ich im Befehlston. »Hier sind die Kopfhörer. Sing!«
»Ich hab wohl keine Wahl!«
»Nein.«
Lars begann zu singen, und es hörte sich gruselig an. Ganz schief. Ich lachte ihn aber nicht aus deswegen. Ich wollte nicht, dass er sich schlecht fühlt. Ich weiß ja, wie es ist, ausgelacht zu werden. Gar nicht schön. Ich behielt es für mich. Dann wurde ich müde.
Auf der Rückfahrt kamen wir am Schloss Bellevue vorbei, das traumhaft schön beleuchtet war, und Lars erklärte mir, dass dort der Präsident von Deutschland wohnte. Ein ganzes Schloss nur für ihn. Der Himmel über Berlin war nun pechschwarz, und als wir Tamtam vor ihrer Wohnung absetzten, fielen mir schon
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