Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
und ich mich fragte, ob ich ihn richtig zugedeckt hatte. Dann stand Lars plötzlich vor mir, und alle meine Fragen lösten sich in Luft auf. Ich rannte auf ihn zu und drückte ihn so fest ich konnte.
»Was machst du denn hier?«, strahlte ich ihn an.
»Dich überraschen«, lachte Lars.
Ich nahm ihn an die Hand und zerrte ihn in die Wohnung, um ihn Mama zu zeigen.
»Wie lange bleibst du?«, fragte ich.
Lars streichelte mir über den Rücken und sagte: »Ich fahre heute Abend wieder. Bin nur gekommen, um dich zu sehen und um den Tag mit dir zu verbringen.«
»Manno«, murmelte ich enttäuscht. Aber dann wurde ich schnell wieder glücklich, weil ich jetzt wenigstens für die nächsten Stunden nicht alleine war. Die Überraschung war gelungen. Als wir zusammen am Tisch saßen, schimpfte ich sofort mit Tamtam, dass sie mir das nächste Mal vorher Bescheid geben sollte, damit ich mich rechtzeitig auf die Überraschung vorbereiten könne. Ich wich Lars nicht mehr von der Seite. Selbst als er sich im Badezimmer die Hände wusch, kam ich mit. An der Wand hing ein Schild mit der Aufschrift: LIFE IS WONDERFUL. Darunter hing ein zweites Schild: WISH IT, DREAM IT, DO IT! Das fand ich lustig, weil ich meinen neuen Pullover von Lars trug und auf dem stand: EASY DOES IT! Wenn man alles nacheinander las, reimten sich diese drei Sätze und irgendwie gab mir das ein gutes Gefühl.
Mama ging dann in die Stadt, und Bruderherz, Tamtam und ich zogen ohne sie los. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen. An einem Gitarrenladen blieb ich abrupt stehen. Ich weiß nicht wieso. Im Schaufenster gab es große und kleine Gitarren, schwarze, braune und rote, für Kinder und für Erwachsene. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, ein richtiger Rockstar zu sein. Ich würde auf der Bühne stehen und hübsche Mädchen würden mir Rosen zuwerfen und mir ihre Telefonnummern geben. Mein Magen knurrte, weil ich Hunger hatte. Lars fragte, ob ich in den Laden gehen wollte, aber ich schüttelte mit dem Kopf, weil ich mich nicht traute. In dem Restaurant gab es leckere Burger mit Straußenfilet und Pommes, was mich an Südafrika erinnerte. Dort leben sehr viele Strauße auf eigenen Straußenfarmen. Man kann sogar auf ihnen reiten. Weil der Regen wieder stärker wurde, fuhren wir den restlichen Tag ganz oft mit dem Taxi durch die Gegend. In einer Zoohandlung guckten wir uns Mäuse und Eidechsen und Vogelspinnen und Schlangen an, aßen in einer Eisdiele Zitroneneis und tranken in einer italienischen Espressobar einen Espresso, der von einem richtigen Italiener zubereitet wurde (Tamtam und ich wollten keinen. Wir schauten nur zu). Der Tag ging viel zu schnell vorbei. Es war schon dunkel, als Lars mit seinem Handy zwei Taxis bestellte. Als das erste kam und neben uns parkte, erklärte er mir, dass ich auf dem Beifahrerplatz einsteigen sollte. Ich hatte Angst, weil ich den Fahrer nicht kannte, aber Lars sagte, ich müsse keine Angst haben. Viel lieber wollte ich mit dem Bus fahren, oder noch besser, mit der S-Bahn, aber Lars erlaubte das nicht, weil ich ja nicht alleine sein durfte. Er gab dem Fahrer Geld und nannte ihm meine Adresse. Wir drückten uns zum Abschied und winkten uns zu. Dann war ich auf mich alleine gestellt. Ich hatte noch immer Angst, aber es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Ich rief Mama an und sagte, dass ich sie lieb habe. Mit ihrer Stimme im Ohr ging es mir besser. Noch nie zuvor war ich alleine mit einem Taxi unterwegs gewesen, schon gar nicht in der Dunkelheit, und ich schaffte es, ohne zu weinen. Das machte mich stolz. Trotzdem war ich froh, als ich wieder aussteigen durfte. Mama wartete schon an der Straße auf mich, damit ich das schwere Sauerstoffgerät nicht in die Wohnung schleppen musste. Der Fahrer schrieb mir eine Quittung über 25,50 Euro. Das Wechselgeld verstaute ich sicher in meiner Hosentasche. Der Tag war ganz schön aufregend gewesen. So aufregend, dass ich Papa schnell einen Gute-Nacht-Kuss gab, meine Pillen schluckte, in meinen Schlafanzug schlüpfte und auf der Stelle einschlief.
Der Unfall ereignete sich gegen drei Uhr nachts. Papa war auf den Balkon gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Als er fertig war und schnell zurück ins Warme wollte, stolperte er über die Türschwelle und veranstaltete dabei einen fürchterlichen Lärm. Es war so laut, dass ich sofort wach wurde und ins Wohnzimmer rannte, um nachzusehen. Papa war auf den Boden gefallen und hatte dabei seine Brille zerbrochen. Zum
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