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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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Glück ist ihm keine Scherbe ins Auge gekommen, dachte ich und beruhigte mich wieder. Sein Daumen war zwar geschwollen, aber das war nicht so schlimm. Ich machte Pipi, huschte zurück ins Bett und schlief wieder ein. Am nächsten Morgen, es war schon hell, suchte ich Sina, um ihr einen schönen Tag zu wünschen, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Wir suchten alles ab, stellten die ganze Wohnung auf den Kopf, rückten die Möbel hin und her, aber meine liebe Katze war einfach nicht mehr da. Wie konnte das sein? Mama konnte es sich nur so erklären, dass Sina zusammen mit Papa auf dem Balkon war und sich, als er hinfiel, so sehr erschreckte, dass sie vom Balkon sprang . Zum Glück wohnen wir im ersten Stock, überlegte ich schnell. Sina ist also auf dem weichen Rasen gelandet. Trotzdem hatte sie bestimmt Angst da draußen, so ganz alleine, in der freien Wildnis. Sie war ja erst sechs Monate alt. Ein Katzenbaby.
    Ich zog mich an und machte mich sofort auf die Suche, klingelte bei unseren Nachbarn, aber niemand hatte sie gesehen oder etwas gehört. Ich hoffte so sehr, dass sie nicht von einem wilden Raubtier gefressen worden war. Alle dreißig Minuten patrouillierte ich um unser Haus und rief nach ihr. Als es dunkel wurde, nahm ich eine große Taschenlampe mit. Das war eine gute Idee, denn wenn man Katzenaugen anstrahlt, leuchten sie, wie bei einem Fahrrad. Meine Suche blieb aber leider erfolglos. Bei der Vorstellung, dass sie sich irgendwo im Gebüsch versteckte und ängstlich winselte, wurde ich so traurig, dass ich weinend auf dem Sofa zusammensackte. Mama rief Lars an und hielt mir das Telefon hin, aber ich konnte nicht mit ihm reden. Meine Gedanken waren zu durcheinander. Ich versuchte zu schlafen, aber das klappte überhaupt nicht gut. Immerzu hüpfte mein kleines Mäuschen durchs Bild. Wie sollte ich mich in der Schule auch nur eine Sekunde auf den Unterricht konzentrieren, wenn meine Katze irgendwo alleine Todesangst hatte? Sie brauchte mich doch. Wer gab ihr denn Futter und Wasser? Wer kraulte sie und hatte sie lieb? Ich schickte noch ein Gebet zum lieben Gott, dass er Sina bitte beschützen sollte und schlief mit Grummeln im Bauch ein.
    Der nächste Tag war nicht schön. In der Schule dachte ich ohne Unterbrechung an Sina. In der Mathestunde wurde es so schlimm, dass ich anfing zu weinen und mich alle auslachten. Ich konnte die Tränen einfach nicht zurückhalten. Der Schmerz in meinem Herzen war unerträglich. Wieso konnte das niemand verstehen?
    Als ich nach Hause kam, verkroch ich mich gleich, ohne hallo zu sagen, in meinem Zimmer und blätterte durch die neue hey! . Wie jeden Abend griff ich irgendwann zum Telefonhörer. Es tutete sieben Mal, bis ich am anderen Ende der Leitung Lars’ Stimme hörte. Eigentlich war es ein schönes Gefühl, dass er da war, aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich mit niemanden sprechen wollte, und war verwirrt. Ich sagte nicht viel, aber Lars schimpfte mit mir. Dummerweise hatte er herausgefunden, dass ich heimlich seinen Freundinnen auf Facebook Nachrichten schrieb. Also, ich machte es nicht absichtlich heimlich. Ich erzählte es ihm bloß nicht. Ich dachte mir, dass seine Freundinnen mich vielleicht auch lieb haben könnten, weil ich ja sonst niemanden hatte.
    »Daniel, du kannst ihnen nicht schreiben, dass du mein Bruder bist und dann so Dinger bringen, wie: Ich finde dich sexy. Findest du mich auch sexy? Ja oder nein? Die denken, du bist verrückt. Vor allem, wenn sie dich nicht kennen. Das geht so nicht.«
    Lars redete noch weiter, aber ich hörte nicht mehr richtig zu. Nach einer Weile war er fertig mit seiner Ansage. Ich dachte mir das jedenfalls, weil es ganz ruhig wurde in der Leitung. Mir fiel etwas ein und sagte: »Ich brauche dringend Autogrammkarten.«
    »Was brauchst du?«, fragte Lars.
    »Also, pass mal auf«, begann ich zu erklären. »Ich bin ja bald ein Rockstar mit Gitarre und die Mädels werfen mit großen roten Rosen nach mir. Und wenn ich ein Star bin, wollen alle ein Autogramm von mir. Aber ich gebe nur den hübschen Mädels eins, ist ja klar.«
    »Völlig klar.«
    »Luca Hänni hat ja auch Autogrammkarten. Ich brauche die wirklich ganz dringend.«
    »Aber sonst ist alles in Butter, ja?«, fragte Lars, und ich sagte: »Nein, immer noch keine Spur von Sina.«
    Sie war nun schon die dritte Nacht verschwunden, und die Chancen, dass sie noch am Leben war, schwanden von Stunde zu Stunde. Ich konnte immer noch nicht damit aufhören, mir

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