Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
Vom Netzwerk:
auf Facebook miteinander befreundet, aber ehrliches Interesse zeigt er nicht an mir. Das tut weh, und ich frage mich oft, was ich ihm getan habe, dass er nicht mehr an mich denkt. Aber ich versuche, ihm deswegen nicht böse zu sein. Er ist ja immer noch mein Vater. Als ich vor einiger Zeit ein neues Foto von mir auf Facebook gepostet habe, kommentierte er es mit: »That’s my boy!« Als ich antwortete: »Danke. Mir geht’s gut. Wie geht es dir?«, kam nichts mehr. Ich saß noch sehr lange vor dem Computer und starrte auf den Bildschirm, aber er hatte dann bestimmt etwas Besseres zu tun. Wahrscheinlich kam eine Sportsendung im Fernsehen.
    »Du hast doch in Berlin auch einen Bruder, also, ich meine, einen richtigen Bruder?«
    »Ja, hab ich«, sagte Lars und schob sich eine gegrillte Kirschtomate rein. »Er heißt Christoph und ist vier Jahre älter als ich.«
    »Habt ihr euch lieb?«
    »Ja.«
    »Und wie oft seht ihr euch?«
    »Ach, das ist unterschiedlich. Ein bis zwei Mal im Monat, manchmal mehr, manchmal weniger. Aber wir telefonieren immer, wenn wir uns nicht sehen können.«
    »Und was redet ihr so?«, fragte ich.
    »Die gleichen Dinge, über die wir reden: Mädchen, Fußball, Träume.«
    »Das ist aber schön«, sagte ich und dachte an Ryan, meinen Bruder aus Südafrika, der mittlerweile schon 22 Jahre alt war. Als Mama damals aus Südafrika fortging, passte er drei Jahre lang jeden Tag auf mich auf. Ich war ja erst vier und konnte noch nicht alleine bleiben. Ryan hat mich abends ins Bett gebracht, morgens geduscht und zur Schule begleitet. Er passte auf, dass ich meine Medizin nahm und genug aß. Mein Vater hat das nie gemacht. Der kümmerte sich immer nur um seine Freundinnen. Ich habe irgendwann aufgehört, mir ihre Namen zu merken, weil sie ohnehin nie lange blieben. Ryan und ich haben keinen Kontakt mehr. Er war damals selbst erst zwölf und wollte sicher lieber mit seinen Freunden spielen, als sich um seinen behinderten Bruder zu kümmern. Ich glaube, das nimmt er mir immer noch übel. Ich war lange sehr traurig deswegen, aber jetzt nicht mehr. Der liebe Gott hat mir nämlich einen neuen Bruder geschickt.
    Die freundliche Frau brachte unser Essen. Es duftete himmlisch. Nachdem ich die erste Gabel verschlungen hatte und vom sahnigen Supergeschmack auf meiner Zunge völlig überwältigt war, sagte ich zu Lars: »Alter Schwede, das sind wirklich die besten Spaghetti carbonara, die ich jemals gegessen habe. Lecker, lecker, lecker.«
    Ich musste mich gleich bei der Frau dafür bedanken. Ich winkte ihr zu, hielt meine Hände an mein Herz und sagte: »Ihre Spaghetti sind so köstlich, viel besser als bei meiner Mama. Vielen lieben Dank. Ihr Italiener macht einfach das beste Essen. Da kann man sagen, was man will. Wirklich mal.«
    Die Frau lachte und freute sich, aber nicht so sehr wie ich, weil ich ja noch einen schönen großen Berg dampfender Spaghetti essen durfte und sie nicht. Gutes Essen lässt mich immer meine Sorgen vergessen, und für ein paar Minuten war ich der glücklichste Junge der Welt.
    Zurück am Auto wartete schon die nächste Überraschung auf mich. Ich durfte auf dem Fahrerplatz sitzen und den Motor starten. Lars zeigte mir, wie man schaltet, wo man Gas gibt und bremst, aber ich war so aufgeregt, dass ich nur kreischen und mit den Armen wedeln konnte. Jetzt war ich Batman. Was für ein Gefühl. So schön. Unbeschreiblich. Mama arbeitete an dem Tag im Café, und Lars schlug vor, die Seiten zu tauschen und sie kurz besuchen zu fahren. An einer Tankstelle erlaubte er mir, Benzin nachzufüllen, und als er bezahlte, rannte ich schnell aufs Klo, Nummer eins machen. Mit vollem Tank ging es rauf auf die Landstraße. Der Wind wehte uns von der Seite ins Gesicht, und Lars drehte das Radio lauter. Er beschleunigte unser Batmobil bis zum Anschlag, und ich dachte nur: Zum Glück war ich gerade Pipi machen, sonst hätte es gefährlich werden können. Ich wollte ihn verarschen und schrie so laut ich konnte: »Achtung, Blitzer!«
    Lars bremste ruckartig ab, was sich ein bisschen nach Achterbahn anfühlte, und ich kriegte mich gar nicht mehr ein vor Lachen.
    »Du kleiner Pisser, du«, grinste Lars und boxte sachte gegen mein Bein. »Na warte, das gibt Rache.«
    »Oh, nein, bitte nicht!«, sagte ich.
    »Zu spät. Und meine Rache wird fürchterlich sein.«
    »Dann verpetze ich dich bei Mama.«
    »Okay, das ist was anderes. Du hast gewonnen.«
    Na, also.
    Wir bogen in den Sülldorfer Kirchenweg ein, fuhren aber

Weitere Kostenlose Bücher