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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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genauso rede wie Jackson, aber irgendwie hat er recht. Ich bin ein Leibeigener. Wir leben hier nicht in einem freien Land, nicht mal ansatzweise. Wer seine Freiheit will, muss sie sich kaufen.«
    »Aber Freiheit ist doch auch nichts anderes als Geld, oder? Freiheit hat nichts zu bedeuten, solange man nicht weiß, wofür man sein Geld ausgeben will.« Der Einwand klang hohl, ja gelangweilt.
    »Wir haben doch darüber geredet, wofür ich sie ausgeben will.«
    »Ja«, sagte sie erschöpft. »Ohne Ende.«
    Er steckte die Beleidigung weg. »Zum Weggehen gehört auch, genau diese Dinge herauszufinden.«
    Shep wäre kein Gespräch eingefallen, das seine Frau mehr gefesselt hätte als dieses, und doch hätte er schwören können, dass sie mit den Gedanken woanders war.
    »Gnu«, sagte er beschwörend; der Kosename ging auf ihre allererste Keniareise zurück, wo sie großartige Gnu-Imitationen hingelegt hatte, indem sie die Hände über dem Kopf zu Hörnern geformt und ihr langes Gesicht zu einem flehenden, traurig-dümmlichen Ausdruck verzog. Es war ein mädchenhafter, betörender Spaß gewesen. Damals nannte er sie ständig Gnu, und in letzter Zeit – nun, in letzter Zeit, wie er erschrocken feststellte, hatte er sie gar nichts mehr genannt. »Das hier sind echte Tickets. Für ein echtes Flugzeug, das in einer Woche startet. Ich möchte, dass du mitkommst. Ich möchte, dass Zach mitkommt, und wenn wir als Familie fliegen, schleife ich ihn notfalls an den Haaren über den Flugsteig. Ich werde jedenfalls fliegen , ob du mitkommst oder nicht.«
    Verdammt, seine Erklärung schien sie ja außerordentlich zu amüsieren. »Also ein Ultimatum?« Sie nahm den letzten Schluck Bourbon, als wollte sie ein Lachen ersticken.
    »Eine Aufforderung«, gab er zurück.
    »In einer Woche willst du in ein Flugzeug steigen und auf eine Insel fliegen, auf der du noch nie gewesen bist, um da den Rest deines Lebens zu verbringen. Und wozu waren dann die ganzen ›Recherchereisen‹ gut?«
    Da sie das Wort du anstelle von wir verwendete, schien ihre Antwort schon jetzt festzustehen, und auf das bange Gefühl ums Herz war er nicht vorbereitet gewesen. Obwohl er versucht hatte, realistisch mit sich zu sein, hatte er offenbar die Hoffnung genährt, dass sie und Zach doch mit nach Pemba kommen würden. Aber die Diskussion war noch jung, und er hielt die Hoffnung aufrecht, dass es ihm – zum ersten Mal in der Geschichte des Universums – gelingen würde, ihre Meinung zu ändern.
    »Ich habe mich für Pemba entschieden, eben weil wir da noch nie waren. Du kannst dir also nicht schon gleich eine Milliarde Gründe ausgedacht haben, warum wieder eine Option vom Tisch ist.«
    Als sie darauf nichts erwiderte, fiel ihm etwas von dem ein, was er nachmittags auf dem Henry Hudson Parkway hinter seinem Lenkrad geübt hatte. »Goa hatte grünes Licht, bis du diesen Artikel über die britische Auswanderin gelesen hast, die von einem Bekannten vor Ort in ihrem eigenen Haus ermordet wurde, und plötzlich war es da zu gefährlich. Ein einziger Mord. Als würden sich die Leute in New York nicht gegenseitig umbringen. Bulgarien wäre ein Schnäppchen gewesen bei unserem ersten Besuch, und es lag sogar im westlichen Teil der Welt, wenn auch knapp, mit Breitband und Post und sauberem Wasser. Aber das Essen war dir zu fade. Das Essen . Als hätten wir nicht ein bisschen Knoblauch und Rosmarin auftreiben können. Inzwischen sind die Immobilienpreise derart explodiert, dass es zu spät ist. Auch Eritrea hatte zuerst deine Phantasie angeregt: stolzes neues Land, warmherzige Menschen, Espresso an jeder Ecke, Wahnsinns-Fünfzigerjahre-Architektur. Dein Glück, dass die Regierung gerade den Bach runtergegangen ist. Marokko hat dir richtig gut gefallen, weißt du noch? Zimt und Terrakotta; weder das Essen noch die Landschaft waren fade . Es wirkte so vielversprechend, dass ich bereit war, länger zu bleiben, obwohl meine Mutter ihren Schlaganfall hatte; wir sind einen halben Tag zu spät zurückgekommen, und ich konnte mich nicht mehr von ihr verabschieden.«
    »Das hast du ja wiedergutgemacht.« Ja ja, die Kosten für die Beerdigung. Wenn Shep die familiären Ansprüche auf seine Finanzen schon nicht selbst beklagte, wollte wenigstens Glynis diese Aufgabe übernehmen.
    »Aber nach dem elften September«, fuhr er unerbittlich fort, »waren auf einmal alle muslimischen Länder – inklusive der Türkei zu meiner Enttäuschung – ersatzlos gestrichen. Als das Finanzsystem in

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