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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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Lebens. Und es ist alles hässlich, hässlich anzusehen. Die Einkaufszentren in Elmsford, die Kmarts und Wal-Marts und Home Depots … nichts als Plastik und Chrom mit grellen Farben, die sich alle beißen, und jeder ist ständig in Eile, und wozu?«
    Es war keine Einbildung. Sie hörte ihm wirklich nicht zu.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Du hast das alles schon gehört. Vielleicht habe ich ja unrecht, vielleicht komme ich ja wirklich in ein paar Wochen auf den Brustwarzen nach Hause gekrochen. Aber lieber der gescheiterte Versuch und die Schmach, als die Idee von vornherein aufzugeben. Die Idee aufzugeben wäre der Tod.«
    »Ich glaube, du wirst feststellen« – ihre Stimme war so gemessen, sie strotzte von irgendeiner großartigen neuen Weisheit, von der er gar nichts wissen wollte –, »dass es überhaupt nicht so sein wird wie der Tod. Es gibt nichts, das so ist wie der Tod. Den Tod verwenden wir immer nur als Metapher für etwas anderes. Etwas Kleineres und Lächerliches und weitaus Erträglicheres.«
    »Wenn du glaubst, dass du mich damit umstimmen kannst, muss ich dich enttäuschen.«
    »Und wann genau gedenkst du unsere heimischen Gefilde zu verlassen?«
    »Nächsten Freitag. Flug BA-179 von JFK mit Anschluss in London um 22.30 Uhr. Dann weiter nach Pemba über Nairobi und Sansibar. Du und Zach könnt dazukommen, bis das Gate schließt. Bis dahin, habe ich gedacht, bin ich mal hier weg und gebe dir die Chance, die Sache in Ruhe zu überdenken.« Die Chance, mich zu vermissen war das, was er meinte. Mich zu vermissen, solange du mich noch ent-vermissen kannst . Und ehrlich gesagt hatte er Angst vor ihr. Bliebe er hier, würde es ihr gelingen, ihm die ganze Sache wieder auszureden. Dazu wäre sie imstande. »Ich wohne solange bei Carol und Jackson. Sie erwarten mich, und du kannst mich da jederzeit erreichen, bis zu meiner Abreise.«
    »Mir wäre es lieb, wenn du das nicht tätest«, sagte Glynis. Nachdem sie ihr Glas vom Tisch genommen hatte, stand sie auf und strich sich die Hose glatt, eine Geste, die er als Signal zum Sichaufraffen und Zubereiten eines weiteren durchschnittlichen Abendessens erkannte. »Ich fürchte, ich werde deine Krankenversicherung brauchen.«
    WÄHREND GLYNIS SPÄTER am Abend noch immer die Küche aufräumte, lief Shep nach oben und zog den Bademantel von seinem Koffer. Er legte die beiden Hemden zurück in die dritte Schublade seiner Kommode und strich sie glatt, damit sie in ordentlichem Zustand fürs Büro waren. Er nahm Flachnadelzange, Schraubenzieher und Metallsäge und legte das Werkzeug zurück in seine zerbeulte rote Werkzeugkiste. Ehe er am Ende den Kamm an seinen angestammten Platz neben die Zigarrenkiste mit der ausländischen Restwährung legte, fuhr er sich einmal damit durch die Haare.

Kapitel 2
    »DER FÄHRT NIE im Leben«, sagte Carol beim Rucolawaschen.
    »Blödsinn«, sagte Jackson und stibitzte sich aus dem Paprikagemüse eine Scheibe italienischer Wurst. »Er hat ja schon das Ticket. Ich hab’s gesehen. Beziehungsweise die Tickets. Ich hab ihm gesagt, das Geld für die anderen beiden könne er sich sparen. Sie geht niemals mit, so viel ist sicher. Das war mir schon immer klar, lange vor Shep. Diese vielen Reisen waren für Glynis doch nur ein Spiel. Von dem sie irgendwann genug hatte.«
    »Du denkst immer, ich meine, dass er zu feige sei. Aber das ist es nicht. Er ist zu vernünftig. Er würde niemals seine Familie im Stich lassen; er ist einfach nicht der Typ dafür. Die Reisetasche schnappen und nie wieder einen Blick zurück werfen? Noch mal bei null anfangen, jetzt, wo er auf die fünfzig zugeht? Kennst du irgendjemanden, der das wirklich gemacht hätte? Und selbst wenn er geht, weil er sich irgendwas beweisen will, er wird postwendend wieder nach Hause kommen. – Flicka, die halbe Stunde ist bestimmt schon wieder rum. Hast du an deine Tropfen gedacht?«
    Ihre älteste Tochter stieß einen nasalen Seufzer aus, halb Stöhnen, halb Blöken. Es war ein raffinierter Ton, der sowohl Nein als auch Ja heißen konnte. Grollend kramte sie in der Tasche ihrer Strickjacke und benetzte ihre Augen mit künstlichen Tränen aus einer von mehreren Dutzend kleiner Plastikampullen, deren Form Jackson immer an die Bombe »Fat Man« erinnerte, die über Nagasaki abgeworfen worden war. Wie immer waren Flickas Augen entzündet und die Wimpern von Vaseline verkrustet.
    »Was denn, er zieht den Schwanz ein?«, sagte Jackson. »Du hast keinen Sinn für männlichen

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