Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
Bruder als wie ihr Vater vor.
»Je länger Papa zu Hause wohnen kann«, sagte Shep, »desto besser ist es für ihn, und desto besser ist es auch für uns. Aber eine Vollzeit-Pflegekraft wäre teuer und, wie du schon richtig sagtest, ein Störfaktor. Aber ich bin neugierig. Es gäbe da eine Möglichkeit, über die wir noch nicht gesprochen haben. Wie wär’s denn, wenn er hierher zurückkäme und du ihn pflegen würdest?«
»Nie im Leben!«, rief sie. Logischerweise war ihr diese Option noch gar nicht in den Sinn gekommen.
»Im Januar noch hast du Amelias Zimmer vorgeschlagen – obwohl wir dir noch gar nicht erzählt hatten, dass Glynis krank ist. Damals kam es nicht infrage, dass er bei dir in Manhattan wohnt, weil du gerade dabei warst, deine Wohnung zu verlieren. Aber jetzt hast du dich ja hier eingenistet, und niemand würde aus seinem Zuhause vertrieben, weder du noch Papa. Du könntest dich nützlich machen.«
»Ich bin dazu nicht qualifiziert. Ich bin keine Krankenschwester !«
»Ich bin sicher, das Krankenhaus bietet die entsprechende Physiotherapie an. Aber hauptsächlich ginge es darum, zu kochen und einzukaufen und das Haus sauber zu halten. Das Bettzeug zu wechseln, Wäsche zu waschen, ihm Gesellschaft zu leisten. Ihn zu baden und ihm mit der Bettpfanne zu helfen. Und dafür bist du genauso qualifiziert wie jeder andere.«
»Papa wäre es niemals recht, wenn ihm seine Tochter den Arsch abwischt. Das wäre total peinlich für alle Beteiligten.«
»Wenn man seine Meinung darüber ändert, was man geben will, ändern andere ihre Meinung darüber, was sie annehmen wollen.« Shep lächelte. Es war eine Moralpredigt, wie sie ihre Mutter nicht besser hätte halten können.
»Ich fass es nicht, dass du so was von mir verlangst! Ich sehe nicht, dass du freiwillig alles aufgibst und den ganzen Tag jemanden pflegst!«
»Ach nein? Alles aufgeben und den ganzen Tag – oder die ganze Nacht – jemanden pflegen ist genau das, was ich für Glynis tue. Während ich einen Vollzeitjob habe, den ich hasse und den ich nur deswegen behalte, damit meine Frau halbwegs krankenversichert ist.«
Das Unbehagen über ihren Fauxpas war nicht von Dauer. »Du willst, dass ich mein ganzes Leben auf Eis lege, möglicherweise auf Jahre hin! Du hast ja nur einen Job, ich dagegen verfolge eine Karriere! Und zufällig handelt es sich dabei um eine Karriere, an die Papa glaubt. Er würde es niemals wollen, dass ich aufhöre, meine Filme zu brisanten gesellschaftlichen Themen zu machen, nur um ihn zu baden! So gesehen werde ich vielleicht tatsächlich einen Dokumentarfilm über Altenpflege drehen. Und in dem Fall werde ich für sehr viel mehr Menschen sehr viel mehr Gutes tun, als ich jemals tun könnte, indem ich hier rumhänge und einen einzelnen alten Mann frage, ob er ein Glas Wasser braucht!«
»War’s das? Also nein? Ende der Durchsage?«
»Das kannst du aber glauben. Vollkommen indiskutabel. Nix da, niemals, kommt nicht infrage, vergiss es, Punkt.« Sie wirkte frustriert, weil ihr keine weiteren Verneinungen mehr einfielen.
Nach dem Verkauf des Allrounders hatte Shep bestimmt nicht erwartet, dass er mehr Anerkennung finden würde – dass man ihm bessere Tische im Restaurant zuteilen, seinen bescheidenen Ansichten mehr Gewicht beimessen würde –, nur weil er an etwas Geld gekommen war. Aber dass er dafür bestraft würde, hatte er verdammt noch mal auch nicht gedacht.
»Soll also heißen, dass ich für die Alternative aufkommen soll – ob nun Vollzeit-Pflegekraft oder irgendeine Art Einrichtung. Und was deinen Gratiseinzug in mein altes Kinderzimmer angeht, hast du Glück, denn solange Papa auch nur die geringste Hoffnung hegt, wieder nach Hause zu kommen, werde ich dieses Haus nicht auf den Markt werfen. Aber lass dir gesagt sein, dass es mir nicht leichtfallen wird, seine Pflegekosten zu übernehmen. Wegen Glynis fallen für mich enorme Kosten an, und so dicke, wie du glaubst, hab ich’s längst nicht mehr.«
»Das versteh ich nicht«, sagte Beryl ehrlich verblüfft. »Du hast doch gesagt, du bist krankenversichert.«
Shep lachte. Es war kein schönes Lachen, aber immer noch besser als zu weinen.
Kapitel 12
Jede Menge Paare schliefen nicht mehr miteinander, und es ging ihnen vermutlich bestens. Hatte die Lust eben nachgelassen, na und. Es blieb ja dieses wohlige Grundgefühl, vorausgesetzt, man schlief im selben Bett, und das war ja bei ihm und Carol nach wie vor der Fall, wenn auch nur deshalb, weil Carol die
Weitere Kostenlose Bücher