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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Bombenwerfern hielte, würde ich Sie ans Gefängnis in Newark ausliefern. Damit Sie wissen, was ich von Sozialisten halte.«
    Amory lachte.
    »Was sind Sie denn?«, fragte der große Mann. »Einer von diesen Salonbolschewiken, einer von diesen Idealisten? Ich muss sagen, ich sehe da keinen Unterschied. Die Idealisten lungern faul herum und schreiben das Zeug, das arme Einwanderer rebellisch macht.«
    »Nun«, sagte Amory, »wenn Idealist zu sein ein sicherer und einträglicher Beruf ist, dann sollte ich’s vielleicht mal damit versuchen.«
    »Was ist denn Ihr Problem? Haben Sie Ihren Job verloren?«
    »Nicht direkt, aber – na ja, man könnte es so nennen.«
    [389] »Was war es für einer?«
    »Werbeslogans für eine Agentur zu schreiben.«
    »Massig Geld in der Werbung.«
    Amory lächelte zurückhaltend.
    »Oh, ich gebe zu, dass womöglich Geld drinsteckt. Heutzutage muss ein Talent nicht mehr verhungern. Selbst die Kunst verdient sich ihr Brot mittlerweile selbst. Künstler zeichnen die Titelblätter von Magazinen, schreiben die Werbetexte, stümpern sich Ragtimes für die Theater zusammen. Durch die völlige Vermarktung des Druckereigewerbes hat man für jedes Genie eine harmlose, nette Beschäftigung gefunden, das sich sonst seinen eigenen Platz erobert hätte. Aber Vorsicht vor dem Künstler, der dazu noch Intellektueller ist. Dem Künstler, der sich nicht einpasst – dem Rousseau, dem Tolstoi, dem Samuel Butler, dem Amory Blaine…«
    »Wer ist das?«, fragte der kleine Mann argwöhnisch.
    »Nun«, sagte Amory, »er – er ist ein intellektueller Charakter, der im Augenblick noch nicht sehr bekannt ist.«
    Der kleine Mann lachte sein pflichtschuldiges Lachen und hörte ziemlich abrupt auf, als Amorys brennende Augen sich auf ihn richteten.
    »Worüber lachen Sie?«
    »Diese Intellektuellen…«
    »Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Die Augen des kleinen Mannes zwinkerten nervös.
    »Nun, im Allgemeinen bedeutet es…«
    »Es bedeutet immer Klugheit und glänzende Bildung«, unterbrach Amory. »Es bedeutet aktives Wissen über die menschliche Erfahrung.« Amory beschloss, sehr grob zu [390] werden. Er wandte sich dem großen Mann zu. »Im Kopf dieses jungen Mannes« – er deutete mit dem Daumen auf den Sekretär und sagte »junger Mann«, wie man »Liftboy« sagt, ohne damit im Geringsten »Jugend« zu meinen – »herrscht das übliche begriffliche Durcheinander aller augenblicklich gängigen Schlagwörter.«
    »Sie stören sich an der Tatsache, dass das Kapital die Druckerzeugnisse kontrolliert?«, fragte der große Mann und heftete seine Glotzaugen auf ihn.
    »Ja – und ich störe mich daran, dass ich geistige Arbeit für sie leisten soll. Die Geschäftswelt, soweit ich sie miterlebt habe, gründete sich auf einen Haufen überarbeiteter und unterbezahlter Schwächlinge, die sich alles gefallen lassen.«
    »Moment mal«, sagte der große Mann. »Sie werden doch wohl zugeben, dass der Arbeiter ganz klar gut bezahlt wird– Fünf- und Sechsstundentage – lächerlich ist das. Von einem Mann aus der Gewerkschaft kriegt man doch keinen anständigen Tag Arbeit mehr.«
    »Daran sind Sie selber schuld«, beharrte Amory, »Leute wie Sie machen keinerlei Zugeständnisse, wenn man sie nicht aus Ihnen rausquetscht.«
    »Was für Leute?«
    »Ihre Klasse; die Klasse, zu der ich bis vor kurzem selbst gehört habe; diejenigen, die durch Erbe oder Fleiß oder Verstand oder Unehrlichkeit zur vermögenden Klasse geworden sind.«
    »Glauben Sie denn, dass der Straßenarbeiter da drüben bereitwilliger von seinem Geld abgäbe, wenn er es hätte?«
    »Nein, aber was hat das damit zu tun?«
    [391] Der Ältere überlegte.
    »Nein, eigentlich nichts, ich gebe es zu. Es klingt aber so.«
    »Tatsächlich würde er sich wohl noch schlimmer aufführen«, fuhr Amory fort. »Die unteren Klassen sind engstirniger, unangenehmer und für sich genommen selbstsüchtiger – auf jeden Fall dümmer. Aber das hat alles nichts mit der Frage zu tun.«
    »Wie lautete denn die Frage?«
    Hier musste Amory einen Moment innehalten, um genau zu überlegen, wie die Frage lautete.
    Amory prägt einen Ausdruck
    »Wenn das Leben einen klugen Mann mit guter Erziehung zu fassen bekommt«, begann Amory langsam, »das heißt also, wenn er heiratet, dann wird in neun von zehn Fällen ein Konservativer aus ihm, jedenfalls, was die bestehenden sozialen Gegebenheiten angeht. Er mag selbstlos, gutherzig, auf seine Weise sogar gerecht sein, aber seine wichtigste

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