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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Aufgabe heißt jetzt: sichern und bewahren. Seine Frau scheucht ihn vorwärts, von zehntausend im Jahr zu zwanzigtausend, weiter und weiter, eingesperrt in eine Tretmühle ohne Fenster. Er ist erledigt! Das Leben hat ihn gepackt! Es gibt keine Hilfe für ihn! Er ist ein geistig verheirateter Mann.«
    Amory hielt inne und fand den Ausdruck gar nicht so übel.
    »Einige Männer«, fuhr er fort, »entkommen dem Zugriff. [392] Vielleicht haben ihre Frauen keine gesellschaftlichen Ambitionen, vielleicht sind sie auch auf ein, zwei Sätze in einem ›gefährlichen Buch‹ gestoßen, die ihnen gefallen haben; vielleicht haben sie mit der Tretmühle begonnen, so wie ich, und wurden hinausgestoßen. Jedenfalls sind sie die Kongressabgeordneten, die man nicht bestechen kann, die Präsidenten, die keine schmutzige Politik betreiben, die Schriftsteller, Redner, Wissenschaftler und Staatsmänner, die nicht bloß begehrte Glücksbringer für ein Halbdutzend Frauen und Kinder sind.«
    »Er ist der geborene Radikale?«
    »Ja«, sagte Amory. »Es gibt ihn in Variationen – vom desillusionierten Kritikaster wie dem alten Thornton Hancock bis hin zu Trotzki. Nun hat der geistig ledige Mann keine direkte Macht, denn unseligerweise hat der geistig verheiratete Mann als Nebenprodukt seiner Jagd nach dem Geld an der großen Tageszeitung, dem populären Magazin, der einflussreichen Wochenschrift verdient – damit Madame Tageszeitung, Madame Magazin und Madame Wochenschrift eine schönere Limousine fahren können als die Ölleute von gegenüber oder die Zementleute um die Ecke.«
    »Warum nicht?«
    »Damit werden die Reichen zu Verwaltern des intellektuellen Gewissens, und natürlich kann niemand, der unter bestimmten gesellschaftlichen Gegebenheiten zu Geld gekommen ist, das Glück seiner Familie aufs Spiel setzen, indem er in seiner Zeitung den Ruf nach anderen Gegebenheiten abdruckt.«
    »Aber so was wird doch geschrieben«, sagte der große Mann.
    [393] »Ja, aber wo? In verrufenen Blättern. Auf billigem Papier gedruckte miserable Wochenschriften.«
    »Schon gut – reden Sie weiter.«
    »Meine erste These ist, dass durch verschiedene Bedingungen, wobei die Familie die wichtigste ist, diese beiden unterschiedlichen Denkweisen zustande kommen. Die eine nimmt die menschliche Natur so, wie sie sie vorfindet, und bedient sich ihrer Ängste, ihrer Schwächen und Stärken zum eigenen Besten. Dagegen steht der geistig Ledige, der beständig nach neuen Systemen sucht, mit denen er die menschliche Natur lenken oder bekämpfen kann. Sein Problem ist schwieriger. Nicht das Leben ist kompliziert, sondern der Kampf, es zu lenken und zu kontrollieren. Das ist sein Kampf. Er hat teil am Fortschritt – der geistig verheiratete Mann dagegen nicht.«
    Der große Mann holte drei Zigarren hervor und bot sie ihnen auf seinem riesigen Handteller an. Der kleine Mann nahm eine, Amory schüttelte den Kopf und griff nach einer Zigarette.
    »Reden Sie weiter«, sagte der große Mann. »Ich wollte mir immer schon mal einen von Ihrer Sorte anhören.«
    Schnelleres Tempo
    »Das moderne Leben«, fuhr Amory fort, »ändert sich nicht mehr von Jahrhundert zu Jahrhundert, sondern von Jahr zu Jahr, zehnmal schneller als je zuvor – Bevölkerungen verdoppeln sich, Zivilisationen rücken näher zueinander, wirtschaftliche Verflechtungen, Rassenfragen, und wir – [394] vertrödeln die Zeit. Mein Gedanke ist, dass wir ein viel schnelleres Tempo vorlegen müssen.« Er legte etwas Nachdruck in diese letzten Worte, und unwillkürlich erhöhte der Chauffeur die Geschwindigkeit. Amory und der große Mann lachten; der kleine Mann nach einer Pause auch.
    »Jedes Kind«, sagte Amory, »sollte die gleichen Ausgangsbedingungen haben. Wenn sein Vater ihm eine gute Konstitution mitgeben kann und seine Mutter etwas gesunden Menschenverstand von der frühesten Erziehung an, dann sollte das sein Erbe sein. Wenn der Vater ihm keine gute Konstitution mitgeben kann, wenn die Mutter die Jahre, in denen sie sich auf die Erziehung ihrer Kinder hätte vorbereiten sollen, mit der Jagd auf Männer zugebracht hat, umso schlimmer für das Kind. Es sollte nicht künstlich mit Geld ausstaffiert werden und in diese schrecklichen Repetitorschulen geschickt und durchs College geschleift werden… Jeder Junge sollte die gleichen Ausgangsbedingungen haben.«
    »In Ordnung«, sagte der große Mann, wobei seine Glotzaugen weder Billigung noch Ablehnung erkennen ließen.
    »Als Nächstes wünsche ich mir

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