Diesseits vom Paradies
Huysmans, Walter Pater, Theophile Gautier und die pikanteren Teile von Rabelais, Boccaccio, Petronius und Sueton. In einer Woche inspizierte er, von allgemeiner Neugier getrieben, die privaten Buchbestände seiner Mitschüler und fand Sloanes Mischung typisch für alle anderen: Gesammelte Werke von Kipling, O. Henry, John Foxe Jr. und Richard Harding Davis; What Every Middle-Aged Woman Ought [160] to Know und The Spell of the Yukon; James Whitcomb Riley in Geschenkausgabe, ein Sortiment völlig zerfledderter, vollgekritzelter Lehrbücher und zuletzt, zu seiner Überraschung, eine seiner eigenen neuesten Entdeckungen, die Gesammelten Gedichte von Rupert Brooke.
Gemeinsam mit Tom D’Invilliers suchte er unter den Leuchten in Princeton nach jemandem, der die große Tradition der amerikanischen Dichtung zu begründen versprach.
Die Studenten, die keinen Abschluss hatten, waren in diesem Jahr viel interessanter als in dem gänzlich spießigen Princeton von vor zwei Jahren. Es hatte sich überraschend viel getan, wenn dabei auch einiges von dem spontanen Charme des Freshman-Jahres verlorengegangen war. Im alten Princeton wären sie niemals auf Tanaduke Wylie gestoßen. Tanaduke, ein Sophomore mit ungeheuren Segelohren, gab Sätze von sich wie: »Die Erde wirbelt herab durch die schicksalhaften Monde vorbedachter Generationen!«, die sie zwar im Unsicheren ließen, was sie eigentlich bedeuten sollten, jedoch bestand kein Zweifel, dass es die Äußerung eines überirdischen Geistes war. So jedenfalls dachten Tom und Amory über ihn. Sie behaupteten ihm gegenüber allen Ernstes, er könne Shelley das Wasser reichen, und brachten seine ultrafreien Verse und Prosagedichte im Nassau Literary Magazine groß heraus. Doch Tanadukes Genius war allzu empfänglich für die schillernde Vielfalt seiner Zeit, und bald fiel er, zu ihrer großen Enttäuschung, der Boheme anheim. Statt von »morgendurchtaumelten Monden« sprach er nun von Greenwich Village und traf sich mit unakademischen Wintermusen aus dem [161] Viertel zwischen Zweiundvierzigster Straße und Broadway anstelle der shelleyschen Traum-Kinder, mit denen er ihren empfänglichen Kunstverstand verwöhnt hatte. So traten sie Tanaduke an die Futuristen ab, wo er sich mit seinen flammenden Krawatten sehr viel besser machte, wie sie meinten. Zum Abschied gab Tom ihm den Rat, zwei Jahre lang keine Zeile mehr zu schreiben und stattdessen viermal die Gesammelten Werke von Alexander Pope zu lesen, doch als Amory darauf hinwies, dass Pope für Tanaduke ähnlich sinnvoll sei wie Fußpflege bei Bauchschmerzen, machten sie sich lachend aus dem Staub und beschlossen, eine Münze entscheiden zu lassen, ob dieses Genie zu groß oder zu unbedeutend für sie sei.
Verächtlich mied Amory die beliebten Professoren, die jeden Abend leichte Epigramme und Fingerhüte voll Chartreuse an ihre Anhänger austeilten. Auch war er enttäuscht über die allgemeine Unsicherheit, mit der jedes Thema behandelt wurde und die offenbar mit der Neigung zur Haarspalterei zusammenhing. Er formulierte seine Ansichten in einer Miniatursatire mit dem Titel Im Vorlesungssaal und überredete Tom, sie im Nassau Lit abzudrucken.
Guten Morgen, Narr…
Alle zwei Tage
reden Sie uns stumm, gestatten keine Frage,
zwingen unsere durstigen Geister in die Knie
mit den »Fürwahrs«, aalglatt wie Ihre Philosophie…
Hier sitzen wir, hundert und ein Schaf,
Sie stimmen an, treiben Ihr Spiel, ergießen sich…
in unsern Schlaf…
[162] Sie sind Gelehrter, hört man sagen,
und schmiedeten vor ein paar Tagen
von allem, was wir wissen müssen,
den Lehrplan voll von Hindernissen,
die sich in alten Folianten,
schon längst vergessen, wiederfanden;
Sie schnüffelten im Dunst der Zeiten,
die Nüstern voller Staub vergilbter Seiten,
um von den Knien sich dann zu erheben,
gelehrten Ausdruck sich zu geben
in Positur von einem Riesen
mit einem ungeheuren Niesen…
Doch hier der Nebenmann an meiner Seite,
ein großer Streber und, was ich nicht bestreite,
ein schlauer Kopf, ein Fragensteller…
Und wie er dasteht, ernst und heller
als mancher andere, doch mit Zitterhand,
als er am Ende Ihnen eingestand,
dass er die ganze Nacht gesessen
und sich durch Ihr Buch gefressen…
Ihnen wird das rundum schmeicheln,
und er wird Verständnis heucheln,
Haarespalten treibt ihr beiden,
werdet lächeln und euch weiden
an manch gehässigem Seitenblick
und hastet dann ans Werk zurück…
Vor einer Woche gaben Sie mir
mein
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